Wir glauben heute dank Social Media & Co. immer auf dem aktuellen Stand der Dinge zu sein. Umso überraschender, dass es Menschen gibt, die mit außergewöhnlichen Projekten und Geschichten in unserer Welt auftauchen, ohne dass wir wirklich wissen, wer sie sind. Genau so jemand ist Nick Russell.

Der Mitbewohner von Danny Davis scheint ständig auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer zu sein, dreht Filme, schreibt Geschichten und bereist die ganze Welt. Immer öfter auch mit Jeremy Jones. Unsere Neugierde nahm irgendwann überhand und endlichen bekamen wir die Gelegenheit, uns mit Nick zu unterhalten und ihn euch vorzustellen.

links: Kaum zu erkennen, aber Nick gab's auch mal ohne Bart; rechts: Danny Davis, Nick Russell & Jack Mitrani | © Landing Headwear, Snowboarder Mag
links: Kaum zu erkennen, aber Nick gab’s auch mal ohne Bart; rechts: Danny Davis, Nick Russell & Jack Mitrani | © Landing Headwear, Snowboarder Mag

In den vergangenen Jahren bist du regelmäßig auf unserem Radar aufgetaucht, immer in Verbindung mit einer spannenden Geschichte von einer Reise ins Unbekannte oder einem außergewöhnlichen Filmprojekt. „Foothills“, der Film über die Reise von Alex Yoder und dir in die Türkei in das kleine Dorf, in dem seit mehr als hundert Jahren eine Art Snowboard gebaut und gefahren wird, ist nur ein Beispiel. Dennoch wissen wir hier in Europa so gut wie nichts über dich. Kannst du uns ein wenig mehr über deinen Background erzählen?
Ich bin an der Ostküste der USA in Connecticut aufgewachsen. Meine Eltern sind mit mir im Winter beinahe jedes Wochenende zu einer kleinen Pilgerreise in die Berge von Vermont aufgebrochen. Dort hat mich auch Snowboarden in seinen Bann gezogen. Und bis heute nicht mehr losgelassen! [lacht] Zu Beginn lag mein Fokus auf der Halfpipe, denn all die Jungs, zu denen ich damals aufschaute, fuhren Halfpipe. Die US Open fanden in Stratton statt und so wuchs ich damit auf, Terje Håkonsen, Ross Powers und Danny Kass zuzuschauen und bald darauf auch selbst Contests zu fahren. Wenn du in solch einer Umgebung aufwächst, ist dein Horizont recht beschränkt und du glaubst, das wäre der einzige Weg. Zumindest war es für mich so. Ich jagte dem Traum vom erfolgreichen Contest-Fahren also eine ganze Weile hinterher. Auch wenn ich nicht wirklich gewann, lief es ganz okay für mich. Einige meiner damaligen Freunde dagegen wurden schnell ziemlich erfolgreich, wie etwa Luke Mitrani, Danny Davis oder Kevin Pearce. Die Jungs gehörten schnell zum Besten, was die damalige Contest-Szene zu bieten hatte. Ich versuchte eine Weile dranzubleiben, realisierte jedoch schon bald, dass ich wohl nicht der Fahrer mit dem größten Ehrgeiz war, wenn es ums Gewinnen von Contests ging. Ich fand keinen großen Gefallen mehr daran, mich aus der eisigen Wall zu werfen. Und so zog ich schließlich nach Salt Lake City in Utah, wo ich zum ersten Mal wirklich die Gelegenheit bekam, größere Berge und Powder zu fahren.

Nick Russell vor seiner Erweckung als Backcountry-Jünger (ab 09:50)

Aber du bist doch mit Sicherheit auch schon davor mit Powder in Berührung gekommen? 
Schon, aber nie ernsthaft. In Salt Lake City bin ich durch Andrew Miller und Forrest Shearer auf Splitboarden gekommen und habe begonnen, mich ernsthaft mit Powder-Snowboarden zu beschäftigen. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass du mit dem Splitboard selbst dann noch die Möglichkeit hast unberührte Schneefelder zu finden, wenn der letzte Schneefall schon einige Tage zurück liegt. Diese Seite des Snowboardens sprach mich an und ich begann, mich immer mehr damit zu beschäftigen und so oft es ging in die Berge zu gehen.

Forrest Shearer bringt Nick Russell zum ersten Mal mit Splitboarden in Berührung. Eine Begegnung, die Nick's Leben verändern sollte… | © Patagonia
Forrest Shearer bringt Nick Russell zum ersten Mal mit Splitboarden in Berührung. Eine Begegnung, die Nick’s Leben verändern sollte… | © Patagonia

Hattest du das Gefühl, mit dem Splitboarden und Backcountry-Snowboarden deinen Platz gefunden zu haben?
Es dauerte eine Weile. Ich ging fast jeden Tag Snowboarden und hatte ein paar Firmen, die mich mit Material unterstützten, aber ich hatte keine Vision vor Augen, wie es für mich weitergehen sollte. Das ist jedoch auch eine Sache, die Snowboarden für mich so besonders macht: Du brauchst nicht unbedingt das eine große Ziel vor Augen zu haben, es ist offen für Interpretationen und du kannst dein eigenes Ding machen. Ich war wie im Autopilot-Modus unterwegs: Aufwachen, auf den Berg gehen und Snowboarden. Ich filmte damals nicht einmal, ich ging einfach nur fahren. Es war ein so fester Bestandteil meines Lebens, so eingebrannt in meinen Alltag, dass es gar nichts anderes gab. Bei all dem, was sich in den letzten Jahren verändert hat, dieser Umstand ist gleich geblieben. Eigentlich ist alles, was ich tue, um Snowboarden herum aufgebaut und darauf ausgerichtet. Selbst dann, wenn ich im Sommer klettern gehe, um stärker und vertrauter mit dem Berg zu werden oder irgendwelche komischen Jobs mache, lässt sich alles wieder auf Snowboarden zurückführen.

Nick unterwegs in seinem Backyard von Tahoe | © Andrew Miller
Nick unterwegs in seinem Backyard von Tahoe | © Andrew Miller

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