Warum will die Disukussion um den Mainstream und wie er Snowboarden beeinflusst, beschädigt oder weiterbringt, nicht aufhören? Unser Kolumnist hat seine eigene Sicht auf dieses sensible Thema.Seit vielen Jahren hört man Vertreter – nicht selten über Snowboard-Generationen hinweg die selben – unserer Industrie lamentieren, dass wir, um im Mainstream endlich wahrgenommen werden zu können, doch zwingend den besten Snowboarder der Welt küren müssten. Weil sich ein solcher gewichtiger Titel nicht zwischen zwei Bar-Runden vergeben lässt wie einst, als Steve Gruber ISF-Vizeweltmeister in der Pipe wurde und dafür die Party tatsächlich nur für wenige Stunden auf „on hold“ setzte, müssen seriöse Wettbewerbe mit einem nachvollziehbaren Reglement, Format und einem fairen Judging abgehalten werden.

Leider sind diese Regeln oft wenig kompatibel mit der Vorstellung, die Snowboarder/innen von ihrem Sport haben und führen alle Nase lang zu endlosen Diskussionen oder gar Schreiduellen über ganze Contest-Areale hinweg. Das ist zwar amüsant für unbeteiligte Zuschauer am Pistenrand, aber in der Sache kaum zielführend im Bezugauf die Kür des besten Snowboarders der Welt, der für den Mainstream ja so unentbehrlich wichtig zu sein scheint. Was und wer ist überhaupt der Mainstream genau? Der Mainstream, oder besser gesagt der Massengeschmack, spiegelt die kulturellen Vorlieben einer großen Mehrheit wider, ganz im Gegensatz zu sogenannten Subkulturen. Genaugenommen ist der Mainstream also nichts anderes als die Folge kultureller Dominanz.

Heikki Sorsa bei den Olympischen Spielen 2002. F*** the rules! | © playbuzz.com
Heikki Sorsa bei den Olympischen Spielen 2002. F*** the rules! | © playbuzz.com

Snowboarden war einmal genau das Gegenteil vonmassentauglich. Sozusagen die absolute Subkultur im Wintersport. Genau aus diesem Grund muss die Anziehungskraft des teilweise in den Gebieten noch untersagten Sports groß gewesen sein, denn viele begeisterte Wintersportler hatten einfach keinen Bock mehr auf die omnipräsenten Après-Ski-Zombies mit Kotzflecken im Kunstpelzkragen oder suchten nach einer Abwechslung zu dem traditionellen alpinen Stil der „Wedelschickeria“ am Berg. Und so kauften sich immer mehr Leute ein Snowboard anstatt Skier. Diese Entwicklung ging völlig ohne Contests und anfangs ohne Mainstream vonstatten. Wahrscheinlich ist Snowboardenauch heute noch immer mehr Subkultur als Mainstream. Wie sonst lässt sich die Endlosschleife an Diskussionen zwischen FIS und TTR und innerhalb der einzelnen Verbände erklären? Weder Verbände noch Industrie haben es in drei Jahrzenten geschafft, sich auf einen gemeinsamen plausiblen Nenner zu einigen. Liegt dieses Unvermögen an der Industrie, den Verbänden, dem Mainstream oder einzelnen einflussreichen Personen? Ehrlich gesagt, interessiert uns die Antwort nach so vielen Jahren auch überhaupt nicht mehr, es macht einfach keinen Sinn mehr seine Zeit mit solchen, einst sehr sensiblen Themen, zu verschwenden. Aus dem Aspekt heraus wären Contests notwendig wie ein Schnupfen am Sessellift bei minus 10 Grad. Olympia lassen wir an dieser Stelle außen vor. Denn was die Verbände da teilweise abziehen gleicht nicht selten einer Amputation der Gliedmaßen eines Sportlers, nur um irgendwie an staatliche Budgettöpfe heranzukommen.

Und trotzdem gibt es Contests, die innerhalb der Szenetatsächlich große Akzeptanz genießen. Wie kann das sein? Die Antwort lautet: Diese Contests sind Teil der Subkultur, ohne dabei ums Verrecken etwas zu wollen, was nicht zumSnowboarden passt. Das Wettkampfthema wird sozusagen artgerecht mit so wenigen überflüssigen Regeln als möglich umgesetzt. Sie passen damit eher zur Ursprünglichkeit des Snowboardens und legen Wert auf die „kulturellen“ Bedürfnisse. Für die meisten Snowboarder sind diese Events seit je her eine wichtige Anlaufstelle, um Gleichgesinnte kennenzulernen, um sich mit Stil zu messen.

Banked Slaloms - wie hier in Riksgränsen - sind Wettkämpfe, aber eben solche, die Snowboarden aus der ganzen Welt direkt aus dem Herzen sprechen | © Cyril Müller
Banked Slaloms – wie hier in Riksgränsen – sind Wettkämpfe, aber eben solche, die Snowboarden aus der ganzen Welt direkt aus dem Herzen sprechen | © Cyril Müller

Last but not least widmen wir uns der These, dass Sport ohne Wettkampf am Ende nur Bewegung ist. Gemeint ist hier auch der Wettkampf gegen sich selbst und die damit verbundene Überwindung, die es kostet, wenn man z.B. nach einem harten Slam direkt wieder aufsteht und den gleichen Trick nochmals probiert, weil man einfach das Teil sauber landen will. Wettkampf heißt aber auch sich mit anderenzu messen, eine Eigenschaft, die im Naturell eines jeden Menschen zu liegen scheint. Somit sind auch Wettbewerbe im Snowboarden eine Naturgesetzmäßigkeit und völlig legitim. Nur bitte ohne überflüssige Reglements, Funktionärs-Interessen und Trainern, die ihre Zöglinge zwischen roten und blauen Stangen durchjagen, während die armen Säue von Snowboardern in einem Ganzkörperkondom so schnell sie nur können eine extra vereiste Piste hinunterschlittern müssen. Snowboarden funktioniert einfach anders: Freestyle for life!