Könnt ihr euch noch an euer erstes Mal erinnern? Unser Kolumnist blickt zurück und geht der Frage nach, warum seine Begeisterung fürs Snowboarden über die Jahre nie nachgelassen hat.Ich kann mich noch genau an das erste Mal erinnern. Nicht das, das durch jugendlichen Übereifer und Aufregung viel zu schnell vorbei war und zumindest bei der Gegenseite für ein wenig Verwirrung sorgte, sondern an meinen ersten Tag auf dem Snowboard. Meine Jugend verbrachte ich im Schwarzwald und hatte das Glück, einige Berge in der näheren Umgebung zu haben, die mit alten Schleppliften ausgestattet waren. Berge ist in diesem Zusammenhang vielleicht ein wenig übertrieben, arg viel mehr als Hügel mit einer oder maximal zwei Pisten waren es nicht. Aber uns hat das damals gereicht. Nachdem ich meine frühen Jahre klassisch auf zwei Latten verbracht hatte, war es Zeit etwas Neues auszuprobieren. Skifahren war das, was die ganzen Leute machten, gegen die ich rebellierte. Eltern, engstirnige Lehrer, Prolls… Snowboarden war laut, rebellisch, unangepasst. Es war Punk. Mit einem Brett an den Füßen wurde man zu jener Zeit bei uns zuhause immer noch schief angeschaut. Es sei denn, man schloss sich dem örtlichen Skiclub an und begnügte sich damit, beim Slalom Skifahrer zu imitieren und die gleichen dämlichen Rennanzüge zu tragen. Doch mit weiten Hosen, bunten Mützen und XXL-Jacken eckte man gewaltig an. Herrlich. Neben all diesen Faktoren war da ja aber noch das Snowboarden selbst.

Die Berge des Schwarzwalds. So schön sehen sie fast nur in verklärten Rückblicken aus...
Die Berge des Schwarzwalds. So schön sehen sie fast nur in verklärten Rückblicken aus…

Ohne eine Ahnung zu haben, wie ich mit diesem Brett zurechtkommen würde, lieh ich mir das eines Freundes aus und fuhr auf den Berg. Den Schlepplift ließ ich vorsichtshalber erst einmal links liegen und hikte den Hügel hinauf. Ich stand goofy auf dem Brett, das wusste ich vom Skaten. Aber natürlich hatte ich nicht darauf geachtet, wie die Bindung auf meiner Leihgabe montiert war. Regular. Die ersten Versuche machte ich also switch – denn naturlich hatte ich auch keinen Schraubenzieher dabei – bevor ich mich frustriert dazu entschied, trotz leichter Plus-Plus-Stellung das Brett umzudrehen. Zwar stand ich jetzt ein wenig komisch auf dem Brett, aber es funktionierte. Nachdem mir ein Liftler doch noch einen Schraubenzieher geliehen hatte, fuhr ich nur ein paar Versuche später meine ersten Turns. Noch heute kann ich mich an dieses Gefühl erinnern, als ich merkte, dass ich die Balance auf der Kante gefunden hatte und den ersten gewollten Turn machte. Alle Schmerzen der vorausgegangenen Fehlversuche waren vergessen. An diesem Tag stapfte ich den Hang gefühlte hundert Mal hinauf. Ich konnte nicht genug kriegen. Ich hörte erst dann auf, als auch das letzte bisschen Kraft aus meinen Beinen verschwunden war. Ich war glücklich. Nicht, weil ich ein cooler Boarder (ja, so nannten wir uns damals) sein wollte, sondern weil ich etwas gefunden hatte, was mir zu einhundert Prozent entsprach. Ich hatte vieles ausprobiert, war im Turn- und Fußballverein, doch nirgendwo passte ich wirklich dazu. Mit dem Snowboard an den Füßen kam mir zum ersten Mal der Gedanke, angekommen zu sein. Das mag ein wenig pathetisch klingen, aber Scheiß drauf, schließlich ist diese Rubrik genau dafür da, ungeschönt und im Schutze der Anonymität frei von der Leber weg schreiben zu können. Dieses Gefühl, genau das Richtige zu machen, hat sich nie verändert. Ich denke, das geht vielen so und ist was Snowboarden ausmacht. Vom ersten bis zum letzten Mal.

Eine der "steileren" Pisten... | © alpinforum.com
Eine der „steileren“ Pisten… | © alpinforum.com

Zurück zu meinem „ersten Mal“. Nachdem ich die ersten Turns gemeistert hatte, war ich angefixt und habe mein Brett nie mehr in die Ecke gestellt. Das Gute am Snowboarden ist, dass es viele solcher ersten Male gibt, denn es gibt so viel, was man mit diesem Stück Holz machen kann und es bleibt ja nicht beim Snowboarden alleine. Ich weiß noch genau, wie ich mein erstes Magazin in den Händen hielt, zum ersten Mal eine Redaktion betreten habe, das erste Interview mit einem meiner Helden führen konnte. Und ich kann mich an das Gefühl erinnern, das mich überkam, als ich zum ersten Mal mein Boardbag für einen Trip packte. Der war nicht lang und hat mich nicht ans andere Ende der Welt geführt, aber das spielt keine Rolle. Denn alleine die Tatsache, in Zusammenhang mit diesem Ding namens Snowboarden auf die Reise zu gehen, reicht schon aus, um für Aufregung zu sorgen. Je älter man wird, desto weniger lässt man sich von solchen Begebenheiten in der Regel beeindrucken. Doch noch heute überkommt mich jedes Mal eine kurze Aufregung, wenn ich nach einigen Tagen Stadt und Schreibtisch wieder in meine Bindung steige. Und vielleicht bin ich etwas langsamer als damals, dafür dauert es länger und macht mehr Spaß. Der Bonus des Alters.

aus: Prime Snowboarding Magazine #11