Für ihren Film „Sparks“ haben sich Wolle Nyvelt und Mone Monsberger auf einen ungewöhnlichen Snowboard-Trip gemacht. Wolles persönlichen Reisebericht bekommt ihr hier bei uns.

Denkt man an Marokko, fallen einem als erstes die Medina von Marrakesch mit ihrem Marktplatz, die Chefchaouen – die Blaue Stadt – Kamele oder die unzähligen Point Breaks an der Atlantikküste ein. An das Atlasgebirge mit seinen bis zu über 4.000 Meter hohen Gipfeln denkt man eher nicht, und schon gleich gar nicht, wenn man sich auf der Suche nach seinem nächsten Reiseziel für einen Snowboard-Trip befindet. Vergangenen Februar ging für mich ein kleiner Traum in Erfüllung, denn Marokko erlebte einen der besten Winter seit Jahrzehnten und so packte ich kurzerhand mein Skateboard, Surfboard und Snowboard ein und machte mich zusammen mit meinem Kumpel und Filmer Mone Monsberger und Skikollegen Roman Rohrmoser auf den Weg nach Afrika, um die Vielfältigkeit Marokkos zu entdecken.

Nachdem die Idee im Raum stand, nach Marokko zu fliegen, hatte mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, mir auf dem afrikanischen Kontinent das Board unter die Füße zu schnallen. Zum ersten Mal hörte ich vor gut 15 Jahren von einer Crew, die zum Snowboarden ins Atlasgebirge aufgebrochen war. Seither habe ich immer wieder ein Auge auf die Schneebedingungen dort geworfen, leider wurde nur nie etwas aus einem Trip in das Land, da ich als Pro immer den besten Schneeverhältnissen nachjagen musste und so praktisch immer an den allseits bekannten Spots wie Japan, Alaska oder in den Alpen endete.

Vergangenen Winter gab es massig Schnee bei mir zuhause im Zillertal, weshalb ich mich vor allem dort aufgehalten habe, um zusammen mit Mone an meinem Kurzfilmprojekt „Sparks“ zu arbeiten. Schon fast etwas gelangweilt von den unglaublichen Schneeverhältnissen, erreichte uns im Februar die Meldung, dass Marokko einen der besten Winter seit drei Jahrzehnten erlebte. Sofort war ich in Gedanken schon halb im Wetsuit und am Swell-Forecast checken. Angezündet von der Idee, mit Surf-, Skate- und Snowboard nach Afrika aufzubrechen, begannen wir direkt mit der Planung des Trips. Was so viel bedeutete wie schnellstens die Flüge zu buchen und alles andere spontan auf uns zukommen zu lassen. Rückblickend war unser Glück auf diesem Trip riesig, aber wir hatten auch kaum Erwartungen, was immer eine gute Ausgangslage für eine Reise ins Ungewisse ist. Unser einziges wirkliches Ziel war es, das Land und sein Potenzial zum Snowboarden zu entdecken, das uns so fern vorkommt und doch so nahe an Europa liegt.

In der Fremde mit nichts als einer Telefonnummer

Mit Mone als Filmer und Roman Rohrmoser als Skifahrer, ja ihr habt richtig gehört ein Skifahrer, war die Crew komplett. Mit Kamera, unseren Boards und einer Local-Telefonnummer eines Freundes von eines Freunds Freund im Gepäck, machten wir uns auf den Weg zum Münchner Flughafen und stiegen in den Flieger. Vier Flugstunden später landeten wir in Marrakesch und schon bevor wir unser Gepäck abholen konnten, begrüßte uns eine gut im Futter stehende Angestellte einer Telefonfirma mit einer gratis SIM-Karte. Wir waren uns nicht sicher, ob wir das Angebot unseres Freunds, der auch die Dame geschickt hatte, annehmen sollten, der uns per Telefon durch das Land guiden wollte, denn eigentlich war unser Plan alles spontan passieren zu lassen. Going with the flow eben. Schlussendlich nahmen wir die SIM-Karte doch und vertrauten uns dem unbekannten Local an. Wir nahmen also Kontakt zu Saad, dem Freund des Freundes eines Freundes auf, was sich als richtige Entscheidung herausstellen sollte, denn Saad kannte sich aus, war zuverlässig und hatte genau den richtigen Plan für uns. Die Straße nach Okaimeden, dem Skigebiet, das wir als erstes ansteuern wollten, war aufgrund von Schneefall für mehrere Tage gesperrt, weshalb uns Saad direkt an die Küste navigierte, wo kopfhoher Swell über die unzähligen Righthander-Points rollte. Nachdem wir eine Route festgelegt hatten und das Mietauto bepackt war, ging es endlich mit dem Ziel los, den Tag mit einer Sunset-Session im Wasser zu beenden. Roman saß motiviert hinterm Steuer und ehe wir auf drei zählen konnten, hingen wir auch schon in der ersten Polizeikontrolle wegen zu schnellem Fahren fest. 30 Minuten später und 50 € leichter, konnten wir die Fahrt nach Safi, unserem Zielort an der Küste, fortsetzen.

Surfen in Safi

In der Hafenstadt Safi angekommen, waren wir tief beeindruckt, wie schön und vor allem wie grün das Land auf dem Weg hierher an uns im Auto vorbeigezogen war. Nach einer kurzen Orientierungspause sprangen wir in unsere Wetsuits, um uns trotz der hohen Tide noch etwas einzupaddeln und ein paar Wellen zu catchen. Als wir aus dem Wasser zurückkamen, trafen wir in einem kleinen Café am Strand ein paar lokale Surfer, mit denen wir ins Gespräch kamen, fanden uns viele Stunden später irgendwo in der Stadt bei einem Freund der neuen Freunde wieder, endeten dort in einem Gespräch über Gott und die Welt und vergaßen die Zeit. Es war erstaunlich festzustellen, dass wir aus völlig unterschiedlichen Kulturen mit verschiedenen Ansichten kamen, aber letzten Endes doch alle für die gleiche Leidenschaft brannten, den Brettsport. Hundemüde ließen wir den ersten Tag und die gesammelten Eindrücke Revue passieren und konnten es kaum fassen, wie viel wir an diesem ersten Tag schon erlebt hatten. Saad hatte uns ein Hotel, wie sollte es anders sein, von einem Freund organisiert und uns klare Anweisungen gegeben, wann wir am besten wo am nächsten Tag surfen gehen sollten. Es war unglaublich, dass wir uns auf einem Snowboard-Trip in Surfshorts und mit fettem Swell befanden und auch noch alles bestens durch eine unbekannte Stimme aus dem Telefon organisiert wurde. Das Gefühl, das wir dabei hatten, fiel definitiv in die Kategorie „Too good to be true“.

Der Morgen des zweiten Tags begrüßte uns mit kopfhohen Wellen und leichtem Offshore. Gefühlte 50 Bodyboarder und Surfer waren schon im Line-up, als wir rauspaddelten und wir haben uns sofort an die Surf Rules gehalten, indem wir uns immer schön „hinten anstellten“. Schnell war aber klar, dass hier die Gesetzmäßigkeiten anders funktionieren. Sobald einer „GO“ rief, paddelten alle die Welle an, völlig ohne Priorität und ohne Rücksicht auf Verluste. Wir haben schnell begriffen, dass es völlig egal war, ob zehn oder zwanzig Locals eine Welle nahmen, sie hatten alle immer Vorfahrt vor uns Touris! Das war okay für uns und fühlte sich fast wie daheim im Zillertal an, wo wir auch eine Art Locals-First-Regel haben. Surfen in Marokko mit der Attitüde von zuhause, das passte irgendwie. Roman hatte zwar die ein oder andere Begegnung mit Bodyboardern, die ihn überfuhren, aber die Vibes mit den Jungs waren trotz allem gut, vor allem an Land nach dem Surf.

Ein weiterer eindrücklicher Tag in Safi ging zu Ende und es war an der Zeit ins Auto zu steigen und die Küste entlang nach Süden zu fahren. Die Straßen waren modern und die wunderschöne Landschaft zog abermals an uns vorbei, bis plötzlich der Wagen vor uns wie in einem russischen Crash-Video im Dunkeln eine Kuh rammte, ins Schleudern kam, gegen eine Felsmauer prallte und sich überschlug. Die beiden Insassen des Wagens hatten riesiges Glück, denn sie krochen unverletzt aus ihrem völlig zerstörten Auto. Zu unserem Erstaunen traf auch schon nach wenigen Minuten Hilfe ein. Nochmal zur Info, es war nachts, im Nirgendwo in Marokko, Afrika! Glücklich über die rasche Hilfe, konnten wir den Unfallort schnell hinter uns lassen und unsere Fahrt fortsetzen.

Im Atlasgebirge

Saad, die Stimme aus dem Telefon, lotste uns in eine Gegend zwischen Imsouane und Agadir, wo wir die nächsten zwei Tage verbringen sollten. Saad gab uns zwei Mal täglich Updates zum Swell und dem Status Quo, wie es mit der Straßensperrung in den Bergen aussah. Nach zwei weiteren Tagen Surfen und Skaten, öffnete dann endlich die Straße nach Oukaimeden. Wir packten unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg in Richtung Atlasgebirge. Oukaimeden ist ein Skigebiet, das aus einem Sessellift und drei Schleppliften besteht und uns in eine andere Zeit zurückversetzte. Am Straßenrand verliehen Leute uraltes Equipment und boten Essen auf die Hand an. Hektik schien hier ein unbekanntes Wort.

Der Sessellift brachte uns im Schneckentempo auf 3.200 m, von wo aus sich uns eine grandiose Aussicht über die vor uns liegende Hochebene und einige der höchsten Gipfel des Atlasgebirges bot. Das tiefschwarze Gestein der Berge zog uns regelrecht in seinen Bann und wir konnten es kaum fassen, dass wir „gerade noch“ Surfen waren und jetzt hier oben im Schnee in dieser imposanten Kulisse standen. Wir realisierten schnell, dass das Sidecountry nicht zu verachten war und fast alle Hänge Nordausrichtung hatten, was den Schnee länger frisch hält. Nach einigen Top-to-bottom-Runs mit kurzen Hikes, wurde uns das Potenzial dieser Berge bewusst.

Mit 600 bis 700 m Höhenunterschied, waren die Runs auch wirklich amtlich und teilweise echte Legburner. Wir waren definitiv froh, dass wir unser ganzes Lawinen-Equipment mitgebracht hatten. Vom Berg zurück, versorgten wir uns abends mit typisch marokkanischen Tajine-Gerichten und unserem mitgebrachten Bier. Alkohol ist hier wohl das am schwierigsten zu bekommende „Getränk“ tätigen, wie in unserem Fall für Feuerholz oder als „Trinkgeld“ für die Guides. Der langsame Rythmus, der dieses Gebiet und seine Leute bestimmt, ist nicht vergleichbar mit dem was sich bei uns in den österreichischen Alpen abspielt.

Daheim rauschen die Lifte mit gefühlten 120 Sachen den Berg nach oben, um noch zigtausend Touristen mehr auf die immer breiteren und plan planierten Pisten zu transportieren. Hier gibt es keine Pistenbullys und kaum Liftpersonal, was mitunter für uns Mitteleuropäer zu undenkbaren Verhältnissen führen kann. Aber wir sind eben in Marokko, wo die Uhren anders laufen. Hier kann es schon mal passieren, dass der Lift einfach stehenbleibt und es keinen interessiert, auch wenn noch Leute auf den Sesseln sitzen. So erging es an diesem Tag einer Crew aus Frankreich, mit der wir uns die letzten beiden Tage die Runs teilten. Am Ende blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als spektakulär aus dem Lift zu springen, weil sie niemand bemerkte. Ja, wir waren auf einer Reise außerhalb unserer Komfortzone, worin für mich genau der Reiz des Unplanbaren liegt, den ich so oft auf meinen durchorganisierten Trips der Vergangenheit vermisst hatte.

Am Ende dieser eindrücklichen Woche, in der wir auf unterschiedlichste Weise unseren Traum eines außergewöhnlichen Trips auf den afrikanischen Kontinent erleben durften, sind wir einfach dankbar und glücklich. Marokko und seine Menschen haben uns positiv überrascht und dazu aufgemuntert, nach weiteren Ländern und Menschen zu suchen, um sie mit unseren Boards zu besuchen. Eine der größten Herausforderungen wird dann sein, die Erwartungen nach dieser wunderbaren Marokko-Reise klein zu halten, damit uns die Schätze dieser Erde Großes zeigen können.

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