go-shred: Vor mittlerweile 12 Jahren gründete der Stuttgarter Shred-addict Martin Winchenbach eine Plattform für Mitfahrgelegenheiten in den Schnee.

Wir haben mit Martin über Publicity Stunts, dynamische Geschäftsmodelle und über die gesetzliche Regelung einer Mindestbesetzung von Fahrzeugen geredet.

go-shred – Interview mit Gründer Martin Winchenbach

Wie viel Prozent Idealismus stand hinter der Gründung von go-shred?

100% ! Mir erschien es als die beste Idee der Welt, eine Möglichkeit zu schaffen, günstig, umweltschonend und in guter Gesellschaft in die Berge zu reisen.

Was macht die Corona Zeit? Manövrierst du deine Firma gut durch stürmische Zeiten?

Ob es am Ende gut war, wird sich noch herausstellen, doch zumindest gebe ich mir Mühe meine Abmachungen und Verpflichtungen einzuhalten und natürlich der go-shred Community einen guten SHRED zu bereiten, trotz der widrigen Umstände.

Weißt du eigentlich, was das umweltschädlichste am Wintersport ist?

Ich glaube die Anreise, zumindest was ich so gehört habe.

Da liegst du ganz und gar richtig. Eigentlich müsste go-shred im Fokus stehen wie nie zuvor, weil sie den umweltschädlichsten Teil von Wintersport auf ein Minimum reduzieren kann: die Anfahrt und die damit einhergehende CO2 Ausschüttung. Nimmst du ein gesteigertes Interesse von Industrieseite an deiner Firma wahr?

Nein, leider nicht. Umweltfreundliches Handeln ist zwar gerne gesehen, doch will keiner dafür zahlen, außer er muss. Beispielsweise CO2 Steuer. Solange es keine Richtlinien gibt, die sowas regeln, wird kein oder nur die wenigsten Unternehmer dafür Geld ausgeben. Außer natürlich das Geschäftsmodell basiert und/oder wirbt mit einer umweltfreundlichen Geschäftsphilosophie.

Öko ist seit einigen Jahren ein äußerst profitables Geschäftsmodell geworden. Vor allem in der Textilindustrie ist Nachhaltigkeit mittlerweile ein Imperativ. Sind das Publicity Stunts oder wirklich effektive, wahrnehmbare Maßnahmen?

Schwierig zu sagen, denn jede Action, um unsere Umwelt ein Stück sauberer zu halten macht Sinn, egal wie unbedeutend die Action auch erscheinen mag. Im Falle der Textilproduktion kenne ich keine genauen Zahlen. Doch meines Erachtens geht es ja um viel mehr und vor allem um die bereits bekannten Faktoren, die die Umwelt so belasten. Beispielsweise wissen wir wieviel Belastung die Anreise in einen Wintersportort verursacht, wieviel Strom und Wasser für die Produktion von Kunstschnee nötig ist, wie das Wettrüsten bei Liftanlagen natürliche Lebensräume zerstört, genauso wie Neuerschließungen von Pisten und Skigebieten. An dieser Stelle besteht noch viel Handlungsbedarf, doch die Frage ist natürlich auch, wer setzt das durch. Denn Umweltschutz ist teuer und solange keiner dafür breit ist zu zahlen oder die Wintersportunternehmen nicht dazu gezwungen werden, passiert nicht genug, um die vollkommene Zerstörung aufzuhalten. In Laax spricht man beispielsweise davon, dass 2052 der Laaxer Gletscher verschwunden sein wird.

Warum glaubst du, wird von der Industrie und dem Tourismus so vehement ausgeblendet, dass wir vor allem den Verbrauch von fossilen Brennstoffen ausschalten müssen, um das Klima zu retten?

Es geht immer noch in erster Linie um Wachstum und der verlangt eine Optimierung zu Gunsten der Kosten und nicht der Umweltbelastung. Es geht, wie auch die aktuelle Situation sehr gut zeigt, darum das Maximum rauszuholen. Dabei sind die Konsequenzen erstmal zweitrangig. Natürlich gibt es wie überall ein paar Vorzeigeunternehmen, die eventuell nicht alles auf Wachstum setzen, doch sobald die Zahlen in den roten Bereich rücken, geht keiner den riskanten Weg, entweder etwas Neues zu probieren oder sogar langfristig seine Strategie umzustellen.

go-shred Interview Martin Winchenbach
Seit Jahrzehnten im Game. Martin steht solide auf dem Brett.

Die Schweizer scheinen ein besseres Umweltbewusstsein an den Tag zu legen. Ein paar Skigebiete sind komplett Auto frei, andere wie Laax versorgen sich ausschließlich mit selbstproduzierter Energie. Würde deine Idee in der Schweiz besser funktionieren?

Vielleicht, schwierig einzuschätzen, denn auch in der Schweiz gibt es viele Leute, die sich gerne Umweltschutz auf die Fahne schreiben, aber dann trotzdem mit dem Q6 in den Wintersportort fahren.

go-shred wird vornehmlich von jungen Leuten genutzt. Warum nutzt die ältere Generation, die sich ja gerne als besonders umweltbewusst inszeniert, diese Plattform seltener?

Ich glaube in erster Linie ist es aus Bequemlichkeit und weil man eigentlich nicht so gerne fremde Leute in sein heiliges Auto einsteigen lässt. Das Auto ist immer noch und vor allem bei den älteren Generationen ein Statussymbol, das auch eine gewisse Unversehrtheit behalten soll. Wenn man nicht weiß, wen man mitnimmt, haben immer noch viele Leute Angst, dass das eigene Auto evtl. Schaden nimmt. Aber generell zieht sich das Problem der Bequemlichkeit durch alle Altersschichten. Meine Erfahrung zeigt, dass wenn ich umweltbewusste Wintersportler anspreche, ob sie schon einmal eine Fahrgemeinschaft angeboten haben, kommen fadenscheinige Ausreden zu Tage. Meist zeigen diese Ausreden deutlich, dass Umweltschutz zwar hip ist und gut in den sozialen Medien aussieht, doch sich daran aktiv zu beteiligen, außer einen POW Sticker auf das Sportgerät zu kleben oder eine Marke zu repräsentieren, die Öko Textilien herstellt, ist bei vielen noch nicht vorgesehen.

Für viele Menschen stellt es eine nicht geringe soziale Hürde dar, bei fremden Menschen ins Auto zu steigen. Glaubst du, dass diese Hürde durch die Pandemieangst zu uneinnehmbaren Festung werden könnte?

Nein, das glaube ich nicht und trotz Pandemie haben sich über go-shred Fahrgemeinschaften gebildet. Generell glaube ich auch, dass diejenigen, die bereit sind Fahrgemeinschaften zu bilden, sich auch weiterhin zusammentun und gemeinsam in die Berge fahren. Vielleicht ein bisschen so wie Flug- und Busreisen. Auch hier gibt es Leute, die sich nicht mehr trauen ins Flugzeug zu steigen, doch sicherlich gibt es viele, die dennoch reisen werden.

Was hältst du von Singapurs Weg, eine Mindestbesetzung von Kraftfahrzeugen gesetzlich vorzuschreiben? Nur noch zu dritt ins Skigebiet zum Beispiel.

So eine Idee finde ich prinzipiell sinnvoll. Wenn man den Leuten erzählt, man möchte Wintersport umweltverträglicher machen, finden das sicherlich alle gut. Wenn man dann aber sagt, an den Wintersportort kommen nur diejenigen, die in einem vollbesetzten Auto oder mit dem Bus anreisen, dann wird sich entscheiden, wie weit der Wintersportler bereit ist Abstriche zu machen. Meines Erachtens sollte man so eine Strategie auch nicht mit der Brechstange einführen, sondern die Sportler durch Aufklärung und Aktivierungen in diese Richtung umerziehen oder positiv beeinflussen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Carpool Lines in Kalifornien. Dennoch glaube ich, dass es funktionieren würde. Denn der Antigentest in Österreich hält die Leute auch nicht davon ab, auf den Berg zu gehen und Wintersport zu betreiben. Aber natürlich würden viele Leute erstmal entsetzt aufschreien, denn der Aufschrei gegen alles was neu und ungewohnt ist, scheint beim Menschen tief verwurzelt.

Seit den verschärften Covid-19 Maßnahmen hat sich der Lauf der Zeit verändert. Klär uns auf: wurde beieinander Mitfahren auch kriminalisiert?

Nein, das nicht. Zumindest soweit ich das mitbekommen habe. Was ich gehört habe, ist, dass Leute gezielter nach Fahrgemeinschaften geschaut haben. Sprich, man wollte wissen, wen man mitnimmt und natürlich auch, ob diese Person schon infiziert war oder nicht.

Du bist seit mittlerweile 12 Jahren im Geschäft. Willst du uns den zeitlichen Wandel von go-shred in wenigen Stichpunkten skizzieren?

Angefangen habe ich 2009 mit dem Launch der Website go-shred.com und dem Idealismus, dass jeder Wintersportler und die gesamte Wintersportindustrie go-shred Die Mitfahrzentrale in den Schnee als große Bereicherung des Sports feiern würde. Diese Euphorie hat ca. drei Jahre angehalten, bis ich so langsam verstanden habe, wie die Industrie tickt. Vielleicht schreibe ich mal ein Buch über all die Geschichten, die ich in den letzten 12 Jahren erlebt habe. Besonders in den letzten 12 Monaten kamen noch Einige dazu. Nach den ersten drei euphorischen Jahren habe ich mich ein wenig umorientiert und Events für Freestyler entwickelt, die ich an Wintersportorte und Wintersportartikelhersteller bzw. Industrie verkaufe.

Hinzu kamen noch Shuttle Busse, der Flohmarkt, der go-shredSHOP und die Kommunikationssparte. Diese Produkte sind alle aus meiner Liebe zum Shredden entstanden, aber Start war definitiv die Plattform zur Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten für Wintersportler.

Bis zum ersten Lockdown am 16. März 2020 hat ich eine volle Saison mit über 10 Events, Shuttle Bussen in österreichische und italienische Skigebiete, einen florierenden Flohmarkt, doch COVID19 und die dazugehörigen Entscheidungen der Politik haben viel verändert. Ich sage bewusst verändert, denn es hat mir u.a. ermöglich viele Sachen auszuprobieren, die ohne Covid, Lockdown, Kurz, Söder und deren Kartell nicht möglich gewesen wären.

Du hast mit dem go-shred Flohmarkt den größten Flohmarkt für Wintersportartikel in Tirol gegründet. Hast du eine Notwendigkeit erkannt? Und wie läuft die Sache?

Gegründet habe ich ihn, doch zu dem was er heute ist, wäre er nicht ohne die Hilfe von Tobi Hartmuth geworden, der als Visionär auch maßgeblich dazu beigetragen hat. Flohmärkte sind ja nichts Neues, doch war mir zu Beginn nicht klar, wie groß das Potenzial ist. Sowohl vom Angebot als auch von der Nachfrage. Auch bei dem Flohmarkt stand immer die Optimierung im Vordergrund, sprich wir haben uns von Jahr zu Jahr weiterentwickelt und sind mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil des Wintersportmarktes geworden. Leider konnte der Markt diese Saison nicht stattfinden, doch glauben wir daran, dass wir nächstes Jahr wieder all unsere Gäste empfangen dürfen.

Prinzipiell läuft der Flohmarkt wie jeder andere Flohmarkt. Jeder kann verkaufen und kaufen. Alle sind herzlich willkommen. Anmeldung wie immer unter spotguide@go-shred.com

Wo steht go-shred in 10 Jahren?

Ich werde alles dransetzen, dass bis dahin eine go-shred APP auf dem Markt ist, die das ultimative SHRED Life ermöglicht. Umweltfreundliche, bequeme und risikofreie Anreise zum Spot, Vergünstigungen bei Lifttickets, Unterkünften und Shops, Erfahrungsberichte aus erste Hand, Kontaktvermittlung für jede Art von Interessensgruppe und eine Spendenfunktion zur Unterstützung all derer, die unbedingt mal einen Tag im Schnee, am Strand bei den Wellen oder im Skatepark ihrer Träume verbringen wollen.

Danke für das Interview, danke an alle Leser und natürlich an alle Unterstützer in welcher Form auch immer, denn ohne Euch wäre go-shred nicht das was es heute ist. Wenn Du go-shred und dadurch die Arbeit aller Beteiligten unterstützen möchte, schau doch mal im go-shredSHOP.com rein, ob Dir was gefällt. Denn jeder Kauf bringt go-shred ein kleines Stück weiter.