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Eudemonia – Interview mit David Djite und Fabian Fuchs und der Fullclip

Eudemonia ist zuallererst Mal ein visueller Orgasmus und eigentlich können wir euch nicht ruhigen Gewissens empfehlen, diesen Film auf eurem Handy oder auf eurem Laptop zu schauen, denn diese Bilder sind fürs Kino gemacht.

Falls ihr aber über kein privates Homecinema verfügt, dann greift bitte wenigstens zum Laptop und nicht zum Handy.  Wer Lust hat, auf einen Performance orientierten Snowboardfilm, der schaltet Eudemonia am besten gar nicht erst an. Wenn ihr aber bereit seid für Snowboardflow mit wunderschönen Bildern und einer tiefen Message, fernab von Leistungsgedanken und Sponsorendruck, dann schaut euch unbedingt Eudemonia an, denn dieser Film ist in Zeiten, in denen jeden Tag ein neuer bester Trick gemacht wird eine schöne und willkommene Entschleunigung für die angestrengte Snowboardseele. Wir haben mit David Djite, dem Star des Films und Fabian Fuchs, dem Mastermind hinter den Kulissen gesprochen und uns über kryptische Filmtitel, Alltagsrassismus und den verschiedenen Facetten des Snowboardens unterhalten?

Servus David und Fabian. Was bedeutet Eudomonia und wieso habt ihr euch für diesen Titel entschieden?

David: Der Titel bedeutet Glückseligkeit. Es geht um einen erfüllenden Lebensstil, der auf ethischen Grundsätzen basiert. Das heißt man soll ein glückliches Leben führen, ohne dabei das Leben eines anderen einzuschränken. Wenn so will ist Eudemonia der Gegenentwurf zum Hedonismus. Ich studiere Psychologie und bin eigentlich im Rahmen des Studiums auf diesen Begriff gestoßen. In 95 % der Psychologie geht es eigentlich um die Behandlung von mental Kranken, die restlichen 5% beschäftigen sich mit der sogenannten positiven Psychologie, die es zum Inhalt hat, wie eine individual Person das größtmögliche Potential aus ihrem Leben schöpfen kann. Ich fand diesen Bereich extrem spannend und habe darin die Möglichkeit gesehen, mein Snowboarden mit meinem Studium, mit der Psychologie zu verbinden.

Fabian: Wir wollten auch deshalb einen kryptischen Titel um den Zuschauer zu aktivieren, das war uns wirklich sehr wichtig. Es ist ein Call-To-Action. Es kann vielleicht dazu inspirieren, sich nach dem Film tiefer mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Eudemonia – Davids erstes Soloprojekt


David, du hast die letzten Jahre viel mit Beyond Medals gefilmt, wieso hast du dich dieses Jahr für ein eigenes Projekt entschieden?

David: Weil ich die Boys hasse [lacht]. Witz! Tor und Kevin zählen nach wie vor zu meinen allerengsten Freunden, ich geh auch noch mega oft mit ihnen shredden. Aber ich hatte schon lange Lust mal was Eigenes zu machen, die Stärken meines Snowboardens zeigen, meine Vorstellung von Snowboarden abzubilden. Ich bin nicht mehr der Progression-Snowboarder der im Park Triples schmeißt, ich liebe den Flowgedanken, ich habe meinen Surfy-Snowboardstil und wollte einfach mal eine andere Facette des Snowboardens zeigen als Trickgeballer. Meine Sponsoren waren begeistert von der Idee und bereit sie mitzutragen. Ich wollte Snowboarden aus der Performanceschiene holen und einen Snowboardfilm für jedermann machen, der auch ein Publikum erreicht, das nicht Snowboard fährt, gleichzeitig aber auch in der Szene gut ankommt. Wir werden sehen ob uns das gelungen ist.

Die Followcams in eurem Film sind unglaublich schön anzuschauen und bringen eine unglaubliche Dynamik in den Film. Wer war dafür verantwortlich?

Fabian: die Followcams und auch alle anderen Aufnahmen wurden von Elmar Bossart gefilmt, er ist ein unglaublich guter Snowboarder und ein sehr talentierter Filmer. Es war nie unser Ziel, möglichst viel heftige Tricks einzufangen, wir wollten Davids Flow auf dem Snowboard möglichst gut in bewegten Bildern erzählen und da haben gute Follow Cam Aufnahmen natürlich eine schöne Dynamik reingebracht. Ich habe mich hierzu oft mit Elmar kurzgeschlossen und über verschiedene Perspektiven beraten. Und eigentlich handelt es sich auch gar nicht um Follow Cams, sondern großenteils um Leadcams. Es ging mir darum, dass der Zuschauer den Charakter David sieht, kennenlernt, der Zuschauer sollte vor allem am Anfang des Movies in einem Tunnel sein, der Zuschauer sollte nicht sehen was auf David zukommt sondern sich voll auf seine motorischen, reaktiven Bewegungen konzentrieren können. Eudomonia war für mich ein Artpiece, das um Davids Snowboarden konstruiert wurde, es hätte für mich am Schluss auch ein Gemälde auf Leinwand sein können, nur das hier das Medium eben Davids Snowboarden war. Es ging nie darum,  messbares, performanceorientiertes  Snowboarden zu zeigen, wir wollten dem Zuschauer abholen und es ermöglichen, in den „State of Flow“ einzutauchen. Diesen State of Flow zu erreichen ist bereits als Snowboarder selbst nicht sehr einfach, ihn einem passiven Publikum zu vermitteln umso schwerer. Ich denke trotzdem, dass es uns ganz gut gelungen ist.

Eudemonia – die Zeit nach dem schweren Sturz


David, du hattest 2015 einen heftigen Unfall in Finnland. Du bist nach einem BS 7 verkantet und dir musste im Krankenhaus deine Milz entfernt werden. Du hast damals viele Entscheidungen hinterfragt. Inwiefern hat dieser Unfall dein Snowboarden verändert?

Ich habe fast keine Erinnerung mehr an die ersten 6 Wochen vom Unfall weggezählt. Ich war so vollgepumpt mit Medikamenten, dass alles einfach nur noch zu einem Brei verschwommen ist. Und danach wollte ich erstmal nichts mehr mit Snowboarden zu tun haben. Der Gedankengang war simpel: wieso mach ich diese Scheiße überhaupt? Ist es das wert? Ich mein, um die halbe Welt zu fliegen um dann in irgendeinem Funpark fast zu sterben? Ich bin in eine Art Depression verfallen. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt wich die Frustration einer tiefen Dankbarkeit; dankbar, wieder laufen zu können, dankbar für meinen starken Freundeskreis, dankbar für meine Familie. Und so kam auch die Wiederannäherung ans Snowboarden. Nach 7 Monaten stand ich wieder auf dem Brett. In meiner ersten Liftfahrt merkte ich erst, wie sehr ich es vermisst hab, ich musste weinen, weil ich so glücklich war, wieder ein Board unter den Füßen zu haben. Aber ich habe mir geschworen, dass ich nie wieder irgendetwas auf dem Snowboard machen werde, was mir nicht taugt, was mich in eine unangenehme Situation bringt. Ich habe mir geschworen nie wieder für irgendeinen Sponsor für irgendeine Organisation Sachen zu machen, die ich nicht fühle. Wenn ich Lust drauf habe jederzeit, sonst aber auf keinen Fall. Das habe ich auch meinen Sponsoren Northface und K2 im vornherein klar kommuniziert und sie waren zum Glück einverstanden.

Eudemonia
David will nichts mehr auf dem Snowboard tun, was ihm keinen Spaß macht. Das wurde im Vorfeld klar mit den Sponsoren kommuniziert. Pic: Dominic Zimmermann

 

Fabian, du warst auch in Chroma involviert, um genauer zu sein hast du die Musik für den Film gemacht. Hat dich Chroma in der Arbeit zu Eudemonia beeinflusst?

Fabian: Nein, gar nicht. Ich habe im gleichen Jahr noch an Oasen mitgearbeitet und an einem Nitro Clip, alles komplett unterschiedliche Projekte. Vor allem wenn ich an einem so großen Projekt wie Eudemonia arbeite, dann achte ich sogar gezielt darauf, jeglichen Einfluss von außen zu eliminieren. Ich habe während der Arbeit an Eudemonia bewusst keine anderen Snowboardfilme geschaut, weil ich nicht beeinflusst werden wollte. Aber ich war in engen Kontakt mit Alex Tank, vor allem aber mit dem Ziel, dass sich die beiden Filme nicht überschneiden. Allerdings kennen wir uns schon sehr lang, haben den gleichen Geschmack was Snowboardfilme angeht. Als ich Chroma das erste mal gesehen habe, stand das Konzept von Eudemonia schon zum großenteil. Den Song für Chroma habe ich auf einen bereits fertigen Part komponiert. Aber Eudemonia wurde nicht von Chroma beeinflusst, ich habe das fertige Projekt von Chroma noch gar nicht gesehen während wir schon große Teile von Eudemonia abgedreht haben.

Eudemonia – wer ist die Zielgruppe?

Wer ist denn die Zielgruppe des Films?

Fabian: wir wollten einen Film machen, der auch außerhalb der Snowboardszene angenommen werden kann, zum Beispiel von Menschen die alpine Natur gut finden, die sich nicht in der Core-Bubble bewegen. Allerdings denken wir, dass auch die Core Szene etwas mit dem Film anfangen kann, was uns sehr wichtig ist, dann die Core Szene ist der Pulsschlag des Snowboardens.  Generell war diese Saison ein sehr gutes Jahr für Snowboardfilme: Relapse, Chroma, Oasen, Elles.. Alles gelungene, vielfältige Projekte. Es ist schön, dass Snowboarden groß genug für so viel unterschiedliche Projekte ist.

David, wenn man in deine Bio schaut, liest man an erster Stelle „Africa ist he Future“. Hast du eine enge Verbindung in das Heimatland deines Vaters?

Mein Vater ist aus dem Senegal und ich war leider ewig nicht mehr dort, weil meine Familie immer während der Snowboardsaison fliegt [lacht]. Aber natürlich ist die Herkunft meines Vaters absolut identitätsstiftend für mich. Sei es meine Hautfarbe, die gelebte Wohnkultur in meinem Elternhaus die sich natürlich auch mit in meine eigene Wohnung übertragen hat, Familie, Kontakte in den Senegal. Die Herkunft meines Vaters hat meine Identität stark beeinflusst und auch wenn ich selbst lange nicht mehr im Senegal war, ist das Land sehr wichtig für mich.

Die Wurzeln von Davids Vater liegen im Senegal, David ist aber in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Pic: Dominic Zimmermann

Spielt Rassismus in deinem Alltag in der Schweiz eine Rolle?

Offener Rassismus ist zum Glück sehr selten aber es ist auch schon  passiert. Aber dieser unterschwellige, oft unbewusste Alltagsrassismus ist schon allgegenwärtig, oft sogar im engsten Freundeskreis, auch wenn die Menschen es vielleicht nicht so meinen, sowas verletzt. Und ich nehme mich da auch selbst in die Pflicht: ich benutze  auch öfter das Wort „behindert“, was auch diffamierend ist. Ich achte allerdings mittlerweile penibelst drauf, das nicht mehr zu tun. Aber es ist einfach Fakt, das Rassismus in Europa absolut salonfähig ist und es wird sehr schwer, das zu ändern. Und es wird sehr viel Zeit brauchen. Aber es geht nicht nur um Rassismus, sondern auch um Sexismus, Mental Health, es ist wichtig dass wir anfangen offen über solche Dinge zu reden und Probleme beim Namen zu nennen.

 

Warum glaubst du, dass wir so wenige Snowboarder/Snowboardpros mit Migrationshintergrund sehen? Ist das nur eine Frage des Geldes oder gibt es andere Hindernisse auf dem Weg zum Berg?

David: Snowboarden ist einfach teuer. Das sehe ich schon als Hauptgrund. Aber natürlich ist es auch eine Integrationsfrage. Wird in der Schweiz gut integriert? Ich finde nicht! Die Schweiz ist so stolz auf ihre Skikultur, warum wird also dieser Teil der Schweizer Identität vielen Neuankömmlingen vorenthalten? Es gibt so viel Geld in der Schweiz, da wäre sicher auch genug vorhanden entsprechende Projekte zu fördern um Menschen mit Migrationshintergrund den Weg in die Berge zu erleichtern.

Fabian: es bräuchte sicherlich eine Wintersportförderung .Ich bin in Stuttgart aufgewachsen und wohne jetzt auch wieder dort. Es fehlt erstmal die unmittelbare Nähe zu den Bergen und wenn deine Eltern hier keine Wintersportler sind, wird es schwierig. Selbst ich wähle meine Tage weise, an denen ich noch in eine Liftkarte investiere, es ist einfach so extrem teuer geworden. Um Migranten  für den Sport zu begeistern bedarf es staatlicher Fördergelder.

Eudemonia
Schattenwandler. David wurde oft mit dem Alltagsrassismus in der Schweiz konfrontiert und sieht hier ganz klar Handlungsbedarf.
Pic: Dominic Zimmermann

Fabian, hat euerer Film eine tiefere Message oder darf ihn der Endverbraucher einfach nur schön finden ohne sich etwas dabei zu denken?

F: Natürlich liegen viele verstecke Messages in dem Film. Ob man die erkennen muss? Sicher nicht. Im kleinsten Fall sind es einfach sieben schöne Minuten, die man in diesen schweren Zeiten einfach genießen kann. Wir haben in der Konzeptionsphase drüber geredet, ob wir Corona thematisieren sollen, aber haben uns bewusst dagegen entschieden, weil wir einen zeitlosen Film machen wollten. Natürlich hat uns Corona massiv beeinflusst, das Thema ist aber zumindest vordergründig im Film nicht wahrnehmbar.  Wir wollten sieben positive Minuten erstellen.

Fabian, was ist für dich als Filmemacher und für dich David als Fahrer der Mehrwert eines Films gegenüber einer Flut an Instagram Clips?  

F: Ich bin mir sicher, dass der Endkonsument, der Zuschauer bald merken wird, was Social Media für ein Gift ist. Ich merke es immer mehr. Ich habe mich persönlich zum Glück fast davon verabschiedet. Aber dann hat es natürlich auch immense Vorteile, wir werden natürlich auch unser Projekt über unsere Channels bewerben. Trotzdem merke ich, wie es mich vergiftet, jeden Tag aufs Neue. Ich bin mir vorsichtig optimistisch sicher, dass wir wieder vermehrt längere und größere Projekte schaffen werden, die Frage der Finanzierung geht hier allerdings an die Industrie: teilt man einen 20 Minuten Clipdurch 10 hat man 10 mal im Jahr Aufmerksamkeit, hat man einen 20 Minüter nur einmal. Die Qualität bleibt aber am Schluss bei diesen Shortclips auf der Strecke. Ich sehe unsere Generation hier in der Pflicht, qualitativ hochwertige Snowboardfilm Produktionen am Leben zu erhalten.

D: Ich kann mich da größtenteils anschließen. Ich bin SM gegenüber nicht ganz so negativ eingestellt, aber im Großen und Ganzen hat Fabi sicher recht. Aber die Industrie ist leider momentan auf diese kurzen Clips fokussiert. Ich denke aber das wird sich wieder ändern, denn die Wurzeln des Snowboardens sind lange Filme und Relapse war relativ lang, die Menschen haben es geschaut, ich bin mir sicher dass die Leute sich wieder Zeit nehmen für lange Projekte, ich bin sicher der „Snowboardfilm“ feiert ein Comeback.

Wird es eine Fortsetzung geben?

David: Eudemonia ist eine Runde Sache, das Projekt ist abgeschlossen. Aber mit Fabian werde ich sicher nochmal arbeiten. Das hat einfach zu gut funktioniert, um es nicht zu wiederholen [lacht]

F: Wir verstehen uns blind, die Arbeitsabläufe haben reibungslos funktioniert, ich bin mir sicher, dass wir nochmal zusammen an einem Projekt arbeiten werden!

 

Hier gibts den Film Eudemonia:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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