Bislang haben wir bei Brands hier in Alpennähe hinter die Kulissen blicken dürfen. In der letzten Ausgabe dieser Saison fliegen wir über den großen Teich und statten den Jungs von Giro einen Besuch im kalifornischen Santa Cruz ab, wo der Helm-Riese sein Headquarter aufgeschlagen hat.

Hi Brendan, erzähle uns doch zu Beginn, wie du zu Giro gekommen bist und was du hier so treibst!
Ursprünglich komme ich aus Philadelphia und habe dort als Jugendlicher mit meinem Skateboard die Straßen unsicher gemacht. Im Sommer stand ich dann oft auf meinem Surfbrett oder habe mein Mountainbike in die Berge ausgeführt. Ich war eben schon immer ziemlich sportlich unterwegs und habe 1989 schließlich auch noch mit dem Snowboarden begonnen. Das brachte mich dann beruflich nach New England zu Burton. Mit den Erfahrungen, die ich dort als Snowboard Product Manager und Entwickler sammeln konnte, verschlug es mich nach einer kurzen Zeit bei Quiksilver schließlich nach Santa Cruz, um für Giro als Senior Brand Manager mein Know-how in die Schneeprodukte einfließen zu lassen.

 

In Kalifornien lässt es sich ja ganz gut aushalten. Wenn ich mich hier so umsehe, kommt anscheinend jeder mit seinem Bike zur Arbeit…
Wir sind schon ein ziemlich sportverrückter Haufen. Irgendwo hängt hier morgens immer ein Wetsuit zum Trocknen herum. Bei den Bikern türmen sich auf dem Schreibtisch neben diversen Core-Magazinen ein ansehnlicher Berg an Ersatzteilen und in der Mittagspause verwandelt sich der Parkplatz in einen kleinen Skatepark. Manche nutzen sogar den Lunch und verschwinden für eine kurze Downhill-Runde in die Berge. Dieses sportliche Treiben kann man hier das ganze Jahr hindurch verfolgen. Ich habe eigentlich immer ein Surfboard im Auto – und wenn die Bedingungen passen, geht sich vor der Arbeit noch ein kurzer Surf aus, nachdem ich meine Kids in der Schule abgeliefert habe. Du hast also definitiv recht: Hier lässt es sich extrem gut leben.

The Industry - Giro California LifestyleDas hört sich doch mehr als lässig an. Ihr braucht nicht zufällig noch einen Chefredakteur? Ihr würdet mich aber sicher dissen, weil ich zu faul wäre, um täglich mit dem Bike zur Arbeit zu kommen…

Ach Quatsch, es kommt lediglich darauf an, mit was für einer Karre du hier aufkreuzt… Da könnte dann schon ein biestiger Kommentar fallen.

Dann lasst euch mal überraschen, falls ich tatsächlich euer Jobangebot annehme. Spaß beiseite – lass uns über Giro sprechen. Die Marke wurde 1985 gegründet und hat somit gerade einmal 30 Jahre auf dem Buckel, gehört aber doch zu den absoluten Playern in der Szene. Wie erklärst du dir diesen Erfolg?
Na ja, 30 Jahre ist jetzt auch nicht mehr so ganz jung. Aber wir haben definitiv einen frischen Wind in die Branche gebracht und im Bike- wie im Snow-Sektor viele revolutionäre Neuheiten in den Markt eingeführt. Dabei haben wir immer auf ein funktionales, aber gleichzeitig cleanes Design gesetzt. Ich denke, der Erfolg ist mitunter darin begründet, dass wir alle hier für unsere Sportarten leben und wir bei Giro die Möglichkeit haben, uns quasi die perfekten Produkte für unsere Leidenschaften selbst auf den Leib zu schneidern. Somit sind wir auch immer extrem nah an den Trends, egal ob auf dem Rad oder eben im Schnee. Mit dieser Leidenschaft haben wir uns dann bis zum Platzhirsch in beiden Helm-Branchen gemausert. Auch wenn wir versuchen, immer die neueste Technik in unsere Produkte zu integrieren, bekommen Soul, Passion und Käuferinteressen immer genügend Raum in unseren neuesten Modellen.

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, euer Business vom Bike-Sport auf The Industry- Giro California Lifestyleden Schnee auszuweiten? Okay, Mammoth ist gerade mal 200 Kilometer von euch entfernt, aber hättet ihr nicht auch mit dem Gedanken spielen können, Helme für Surfer oder Kayak- Fahrer auf den Markt zu bringen?
Santa Cruz ist doch das Surf-Mekka schlechthin. Da hast du recht, Santa Cruz ist definitiv einer der bekanntesten Surf-Spots weltweit. Gerade im Herbst oder im Frühjahr, wenn die fetten Wellen aus Alaska oder dem Nordwesten anrollen, wimmelt es hier nur von Pros. Doch auch das restliche Jahr rollen ganz passable Swells rein, weil wir aus beinahe allen Richtungen etwas abbekommen. Aus diesem Grund blicken wir hier stolz auf eine tief verwurzelte Tradition mit dem Surf-Sport, was Santa Cruz zweifelsohne zur ursprünglichsten Surf-City Amerikas macht. Aber zurück zu deiner Frage: Als wir in den 90er-Jahren realisierten, dass wir unser Know-how aus dem Bike-Sport äußerst schnell in den Schnee transferieren und somit auch dieser schnell wachsenden Szene leichte, stabile Helme in zeitgemäßem Design anbieten könnten, schlugen wir zu. Zudem sind die meisten Biker aus Kalifornien eben auch Skifahrer oder Snowboarder. Wenn es im Winter an der Küste regnet, schneit es für gewöhnlich in den Bergen und am Wochenende werden dann nicht die Räder, sondern Skier oder Snowboards auf die Ladefläche gepackt. Wie ich schon sagte: Wir stehen alle hinter unseren Sportarten und somit waren wir uns sicher, dass wir auch in diesem Markt Erfolg hätten. Wir haben zwar einige unserer Innovationen aus dem Radsport mitnehmen können, haben aber damals ein komplett neues Team aufgestellt, das sich seither eigenständig um Entwicklung, Marketing, Sales und Sponsoring im Snow-Bereich kümmert.

Okay, der Weg von einem Radhelm zu einem Skihelm ist ja nachzuvollziehen und die Synergien in der Entwicklung liegen auf der Hand. Wie verhielt es sich dann aber mit den Goggles, die ihr als neueste Produktgruppe bei Giro mit in euer Sortiment aufgenommen habt?
Stimmt, da waren unsere Ambitionen primär optischer Natur. Wir wollten einen nahtlosen Look kreieren, der aus Goggles und Helm eine Einheit formen sollte. Dabei sollten perfekter Sitz, Funktion und Performance aber optimal aufeinander abgestimmt sein. Wir entwickelten also Skibrillen und bauten um diese komplett neue Helme auf. Mit diesem Konzept konnten wir dann beide Produkte ideal anpassen und später eben Komplettlösungen anbieten, die gerade bei widrigen Wetterbedingungen deutlich besser funktionieren als ein zusammengewürfeltes Set-up aus unterschiedlichen Brands. Rein aus Marketing- Sicht ist so eine passende Kombi natürlich auch von Vorteil.

The Industry - Giro California Lifestyle 2

Das ist nachvollziehbar. Man könnte ja aber den Bogen noch weiter spannen und die passende Outerwear zu Helm und Goggles anbieten. Es gibt ja Marken, die solch ein Tip-to-Toe-Konzept verfolgen. Ist das nichts für euch?
Vorerst spielt diese Thematik bei uns keine Rolle, denn wir wollen uns weiterhin auf Helme und Goggles konzentrieren. Wir wollen Produkte entwickeln, die mit ihrer optimalen Performance den Tag im Schnee zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Um das zu gewährleisten und weiterhin eine Führungsrolle im Design von neuen Produkten innezuhaben, setzen wir auch in Zukunft auf Innovationen. Wir setzen dabei auf neue Technologien wie zum Beispiel MIPS (Multi-Directional Impact Protection System), das in elf unserer 2017er-Helme zum Einsatz kommen wird, angefangen von High-End- Freeride- Helmen über Freestyle-Modelle bis hin zu passenden Produkten speziell für Ladys und Kids. Natürlich haben wir auch im Brillenbereich einiges in der Pipeline. So werden wir nächsten Winter mit elf „ EXV“-Goggles auf den Markt kommen. Wer schon einmal eine Skibrille aus dieser Kollektion im Schnee getestet hat, der weiß die Kombination aus einem maximalen Sichtfeld und den verwendeten Zeiss-Linsen zu schätzen. Letztlich spricht dann die Qualität des Produkts für sich selbst und veranlasst den Sportler, dieses dann auch zu kaufen. Perfekte Modelle sind besser als jedes Marketing.

Fließt auch viel Input eurer Athleten in die Entwicklung oder seid ihr bei den optimalen Rahmenbedingungen in Kalifornien schon alle Semi-Pros und könnt auf das Feedback eurer Rider pfeifen?
So krass sind wir nun auch wieder nicht unterwegs. Wir veranstalten jedes Jahr sechs Trips zu Photoshoots und Events mit unseren Teamridern. Diese Treffen haben alle unterschiedliche Zwecke. Teilweise stehen Aufnahmen für den Katalog im Vordergrund, bei anderen eher die Action im Park oder im Backcountry. Die Zeit mit unseren Athleten ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil bei den Entwicklungsprozessen, denn mit konstruktivem Feedback zu den getesteten Produkten, mit den vielen Gesprächen, den Vorschlägen von Grafiken oder Designs und dem Teilen von Ideen bekommen wir immer wieder Input, den wir dann in die Kollektionen einbringen. Wie ich ja schon gesagt habe, wollen wir mit unseren Produkten Technologie und Soul sowie Anspruch und Style bestmöglich miteinander verbinden. Dabei verkörpern die Rider mit ihrem individuellen Charakter die Seele von Giro. Die gesammelten Erfahrungen fließen dann quasi ungefiltert aus dem Schnee, aus den Bergen oder generell aus der Natur zurück nach Santa Cruz und werden im „Dome“ analysiert. In unserer Entwicklungsabteilung checken wir dann, was sich umsetzen lässt und was nicht. Wenn dann die ersten Prototypen fertiggestellt sind, lassen wir ein paar Pros einfliegen, die uns ihre ersten Einschätzungen geben, ob wir deren Geschmack und Intention getroffen haben. Wir denken, dass dieser Zyklus perfekt zu uns als Marke passt und unseren Spirit repräsentiert.

Hört sich jedenfalls schlüssig an, und wenn man eure Produkte betrachtet, gibt euch dieses Konzept recht. Einen besseren Abschluss hätten wir für dieses Interview nicht finden können. Vielen Dank, Brendan!

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