Als Steve Gruber für die ersten Snowboard-Filme vor der Kamera stand, froren den Filmern noch die Finger ab, weil sie am Berg die Filmspulen nachwickeln mussten.

Die Geschichte ist erschienen in der vorletzten Ausgabe des Prime Snowboarding Magazines. Auch die Fotos sind dem Magazin entnommen. 

Inzwischen blickt Steve Gruber, durch dessen Adern reines Snowboard-Vollblut zu fließen scheint, auf dreißig Jahre kompromissloses Shredden zurück. Willkommen in der Welt des Steve Gruber, in der die Ehre einen höheren Stellenwert besitzt, als der olympische Gedanke und wo ein gepflegtes Feierabendbier mit Chick in der Bappn mehr Energie freisetzt, als zehn Trainingseinheiten im Gym an Drehmoment generieren können.
Macht euch ein Helles bevor ihr weiter lest wie wir es taten, als wir dem 43-jährigen Haudegen bei der Geschichte seines Lebens zuhörten. 


“Last man standing”- Steve Gruber erzählt die Geschichte seines Lebens!

Wie war das damals, als Steve Gruber mit dem Snowboarden angefangen hat?

Wenn ich mich recht entsinne, müsste das so 1988 gewesen sein. Ich war damals 13 und habe mit meinem Bruder zusammen so ein Teil namens „Snowboard“ ausprobiert, von dem wir keine Ahnung hatten, wie es funktioniert. Aber es hat Laune gemacht und ich wollte danach unbedingt so ein Brett haben, was aber leider nicht drin war, weil kurz zuvor neue Ski unterm Weihnachtsbaum für mich gelegen hatte. Ich habe mir dann über den Sommer mit einer Anleitung aus einem Buch und der Hilfe meines Vaters ein Snowboard selber gebaut.  

Du warst auf alle Fälle schnell und tief im Snowboarden drin und hast mit deinen Kumpels Bernd Egger und Dieter Steinhart die Ästhetiker gegründet. Wann war das eigentlich und wie kam es dazu?

Meine Erinnerungen an die Anfänge der Ästhetiker sind schon etwas verschwommen, aber es müsste im Herbst 1993 gewesen sein. Wir sind damals viel zusammen am Berg gewesen und haben dadurch auch andere Leute kennengelernt, die wie wir voll dem Snowboarden verfallen waren und mit der gleichen Motivation und Einstellung wie wir jede freie Minute Shredden gegangen sind. Innsbruck war damals der Nabel der europäischen Contest-Szene und hatte eine gute Clique. Wir wollten auch sowas, aber ohne große Ambitionen für Wettkampf-Ergebnisse, sondern aus purer Motivation zum Shredden. Die Contests zu dieser Zeit waren für uns eher Mittel zum Zweck, da die Parks damals eigentlich nur zu den Contests hergerichtet waren und abends immer gut gefeiert wurde.

1999 wurdest du Vizeweltmeister in der Halfpipe. Glaubt man den Geschichten, warst du von deiner Finalteilnahme so überrascht und erfreut, dass die darauffolgende Nacht zwischen Quali und Finale eine ganz besondere werden sollte …
Ich kann mich nicht mehr erinnern! [lacht] Mir wurde erzählt, dass wir eine Party mit zu viel Bier hatte und die Afterparty bis 5.30 Uhr bei Burton im Hotel weiterging. Danach gab’s wohl kein Taxi mehr und ich wurde irgendwie von Drew Stevenson in mein 10 km entferntes Hotel geschleift. Allerdings hatte ich meinen Zimmerschlüssel verlegt und bin dann anscheinend über die Dachrinne hoch zu meinem Zimmer geklettert und habe es tatsächlich geschafft, das gekippte Fenster auszuhängen und einzusteigen. 

Mit dem Erfolg kommt auch meist der Ruhm. Wie ist ein Steve Gruber damit umgegangen?
Mir war das mit dem Ruhm nie so richtig bewusst. Ich war eigentlich immer nur froh, dass ich dabei sein konnte und war stoked, dass ich all die Leute kennen lernen durfte. Das ich außerhalb meines Freundeskreises sowas wie ein „Snowboardstar“ war, habe ich nicht gecheckt. Nach der WM haben sie mir zuhause sogar einen offiziellen Empfang organisiert, was mir einfach nur unangenehm und peinlich war. Berühmtsein war was für Andere, ich wollte einfach Snowboarden!

Viele finden deinen Style extrem smooth und behaupten, dass es selbst heute wenige Leute gibt, die besser auf dem Brett stehen als du.


Puhhh, was soll ich darauf antworten? Ich persönlich finde meinen Style jetzt gar nicht so außergewöhnlich, aber wenn ein Trick gut funktioniert, fühlt er sich halt auch gut an und wahrscheinlich passt dann halt auch der Style.

Neben deiner Contest-Karriere, hast du auch so ziemlich mit jeder großen Filmproduktion gearbeitet und warst mit allen Big Names shooten. Gab es jemanden, der dich besonders beeindruckt hat?


Big Names sind Big Names, weil sie extrem gute Snowboarder sind oder waren. Mich hat jeder begnadete Shredder auf seine Art und Weise beeindruckt und motiviert, selber weiterhin Gas zu geben.

Steve Gruber
Steve Gruber fliegt durch die verschneite Berglandschaft Tirols – Foto: Marc O´Melly

Die goldenen Jahre des Snowboardens waren auch deine große Zeit. Firmen wie Diesel und Salomon haben dich für gutes Geld unter Vertrag genommen. Sind solche Deals für die heutigen Kids noch möglich?


Für die richtig guten Leute sind solche Deals auf jeden Fall drin. Der Unterschied zu damals ist heute aber, dass es jetzt viel mehr gute Fahrer gibt und wesentlich weniger Firmen mit großen Budgets, wodurch es jetzt viel schwieriger geworden ist, an gute Deals zu kommen. Aber an der Spitze verdienen heute die Topleute besser als wir damals.

Steve Gruber Season Edit

 

 

Steve Gruber – erster Snowboardpro mit Manager

 

Du hattest mit Fred Holdenau sogar einen Manager, was damals im Snowboarden noch eher unüblich war. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und hat sich diese finanziell positiv für dich ausgewirkt?


Ich kannte Fred damals aus Flachau, wo er eine Halfpipe gebaut hat. Er war einfach ein Geschäftsmann und hat das Vermarktungspotential im Snowboarden schon früh erkannt. Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich nicht für ihn fahren will. Ob sich die Zusammenarbeit finanziell gelohnt hat, ist schwer zu beantworten. Fred konnte besser verhandeln als ich und ich kam mir auch ehrlich gesagt deppert vor, mich selbst als „Produkt“ vor Sponsoren möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Von daher hat Fred sicher mehr Kohle aus den Verträgen geholt als ich. Auf der anderen Seite hat Fred als Manager auch überall mit verdient, wodurch mir unterm Strich auch wieder wesentlich weniger Geld geblieben ist. Als Manager hat er seinen Anteil an meine Contest-Preisgeldern, Incentives, Verträgen usw. bekommen. Fred hatte einen sehr professionellen Blick auf´s Snowboarden und wollte immer, dass ich professionell trainiere, gesund lebe und so viele Contests wie möglich fahre. Gerade vor dem Training habe ich mich halt oft gedrückt, weil ich einfach immer Spaß beim Snowboarden haben wollte und die Professionalisierung durch Ernährungsumstellung und Trainingseinheiten mir so überhaupt nicht getaugt hat. Diese systemische Vorgehensweise hat für einfach nichts mit Snowboarden zu tun gehabt, wie mir es getaugt hat und warum ich diesen Sport so geliebt habe und immer noch liebe.

War das auch der Grund, warum sich eure Wege getrennt haben?
Es gab Momente, in denen ich daran gezweifelt habe, ob die Zusammenarbeit mit Fred für mich noch Sinn ergeben würde, was er natürlich weniger spannend fand. Schlussendlich kam das Ende für Fred und mich aber, nachdem meine großen Sponsoren weggebrochen sind und ich als Athlet für einen Manager nicht mehr rentabel genug war. Wir sind im Guten auseinander gegangen und ich bin heute noch sehr dankbar für alles, was Fred für mich getan hat.

Die ersten olympischen Spiele 1998 waren ein großes Thema im Snowboarden. Warum hast du die Spiele, die für dich eine riesen Plattform hätten werden können, boykottiert?
Es gab damals die beiden Verbände FIS und ISF. Die ISF wurde von Snowboardern gegründet, da die FIS bis zu dem Zeitpunkt wo Snowboarden olympisch wurde, kein Interesse an unserem Sport hatte. Alle guten Contests und Contest-Serien liefen über die ISF und plötzlich, wo es Budget-Töpfe abzugreifen gab, diktierte die FIS, dass nur der bei Olympia teilnehmen darf, der sich über ihre Events im Jahr zuvor qualifiziert. Dieser Move kam einem Genickschuss für die ISF nahe, die sich im Gegensatz zur FIS für den Snowboard-Sport und dessen noch junge Entwicklung eingesetzt hat. Mit dem Boykott, dem sich auch viele andere Fahrer wie z.B. Terje Håkonsen angeschlossen haben, haben wir uns mit denen, die etwas für unseren Sport getan haben, solidarisiert. Ich hatte damals schon FIS-Erfahrung durch die Halfpipe WM und wollt mir auch das was dort passierte, nicht nochmal antun. 

Was hat dich denn an den FIS Events genau gestört?
Im Snowboarden hatten wir bis dahin Teamkollegen aus der ganzen Welt, die für die gleichen Sponsoren unterwegs waren. Bei der FIS wirst du dann plötzlich als Österreicher ins österreichische Haus und als Deutscher ins deutsche Haus gesteckt. Scheiß drauf, welcher Sportart du angehörst und mit wem du dich verstehst. Wir mussten damals bei der FIS Outerwear von Brunotti tragen, in die ich nicht für alles Geld der Welt geschlupft wäre. [lacht] Ich kann mich auch noch gut an die WM erinnern, als mich die TV Kamera ausversehen filmte, wie ich eine Kippe im Mund hatte. Die Aufnahmen haben fast zum Herzinfarkt bei den Verantwortlichen geführt. Kurzum: die ganze Veranstaltung wiedersprach allem, was Snowboarden für mich war; nämlich Freiheit, Rock’n’Roll und vor allem mit meinen Freunden am Berg sein.

Steve Gruber
Steve Gruber fliegt durchs Back Country in Flachau Winkl. Foto: Matt MacHattie

Gab es Momente, in denen du es bereut hast, die olympische Bühne niemals betreten zu haben?
Ich bin mal mit Gian Simmen [Gian gewann 1998 Gold in Nagano, Anm. d. Red.] über die Schweizer Grenze gefahren und als unser Auto aufgehalten wurde, haben die Polizisten Gian direkt nach einem Autogramm gefragt. Da wurde mir die Tragweite meiner damaligen Entscheidung bewusst. Aber ich bleib dabei: Was die FIS da veranstaltet, wird nie dem entsprechen, was Snowboarden für mich war und nach wie vor ist! 

Was ist Snowboarden für dich?
Ich wollte immer Filme drehen, mit dem Brett um die Welt reisen und mit Leuten die ähnlich ticken, den Sport weiterentwickeln und den dazugehörigen Lifestyle zelebrieren. All das habe ich erreicht und gelebt, was mich rückblickend glücklich macht. 


Die meisten Sponsoren sind Branchen intern. Wie war das damals eigentlich mit Diesel als Klamottensponsor?
Diesel war damals durch 55DSL sehr stark im Snowboarden engagiert. Zum Beispiel hat 55DSL über Jahre das SPC Summer Camp als Hauptsponsor mitfinanziert. Ich kann mich noch an ein Sales Meeting auf Sardinien erinnern, wo ich mit Joel Tudor surfen war und anschließend mit ihm zum Abendessen auf die Segelyacht von Diesel Besitzer Renzo Rosso eingeladen wurde. Trotz des vielen Geldes waren die Leute von Diesel extrem entspannt und haben sich damals für den Sport interessiert und ihn auch so verstanden wie er damals war.

Du bist viele Jahre zusammen mit Wolle Nyvelt und David Benedek im Salomon Team gefahren. Wer war der kompletteste Snowboarder von euch und wer war der stärkste Mann an der Bar?
David war sehr früh ein Innovator im Snowboarden und technisch auf höchstem Niveau im Park, später auch im Backcountry und in der Pipe unterwegs. Trick-technisch war er sicherlich die Nummer eins von uns dreien. Wolle hingegen ist für mich der komplettere Freerider mit dem Auge und Style eines Surfers und dem Herz und der Motivation eines Vollblut-Skaters. Ich glaube ich hatte für alle Bereiche etwas Talent, aber habe mit Sicherheit den Award für die beste Performance an der Bar gewonnen. [lacht]

Du warst lange Zeit oben auf und bist dann plötzlich ohne Hauptsponsoren dagestanden. Wie bist du mit dieser neuen und einschneidenden Situation umgegangen?
Ich habe mir damals so eine Art zweite Chance gewünscht. Sprich, ein Budget-Cut und die Aufforderung noch mehr für Salomon Gas zu geben. Aber Salomon hat mich ohne Vorankündigung komplett gedropt. Natürlich habe ich das persönlich genommen und die Welt nicht mehr verstanden. Heute weiß ich, dass es sich damals um eine wirtschaftliche Entscheidung gehandelt hat, die nicht gegen mich, sondern für die Company getroffen wurde.

Dein Rauswurf hat den Weg für deinen Kumpel Wolle Nyvelt ins internationale Team geebnet. Das war sicherlich keine einfache Zeit für eure Freundschaft?
Ich habe damals deutlich mehr verdient als Wolle und habe das Contestfahren immer mehr reduziert. Wolle hat zeitgleich mit Absinthe Films erfolgreich gearbeitet und ging durch die Decke. Er wurde damals sogar zum „Rider of the Year“ in den USA gewählt, was damals die krasseste Auszeichnung war, die man im Snowboarden erhalten konnte. Natürlich war ich nach der Entscheidung bei Salomon extrem sauer und enttäuscht, aber es war ja nicht Wolle´s Schuld.

 


Du hast einmal gesagt, dass du dein Geld nicht richtig investiert hast. Was würdest du mit deiner Weisheit von heute anders machen?
Ich würde mir eine Wohnung kaufen und nicht wieder mein Geld in schwindelige Pensionsfonds stecken. 

Jede Pro-Karriere scheint irgendwann zu enden, nur deine nicht. Was treibt dich an, dass du mit 43 immer noch auf dem Brett stehst?
Berge, Natur, Freiheit und die Unbekümmertheit, wenn ich mit Freunden im Powder durch den Wald oder über Hänge gleite und es nur um den Augenblick geht. Genau das macht Snowboarden für mich aus! Und klar, den ein oder andere Adrenalinkick nehme ich schon auch noch ganz gerne mit, wenn ich mich aus meiner Komfortzone bewege, was heute viel schneller passiert als vor zwanzig Jahren. [lacht]

Du bist mittlerweile 43 Jahre alt. Welchen Vorteil bringt dein Alter für den Sport, was sind die Nachteile?
Das ist jetzt eher eine Fangfrage, oder? Also gut, die Vorteile meines Alters liegen definitiv in der Erfahrung und den vielen Freundschaften, die ich in den letzten 30 Jahren sammeln konnte. Alles andere ist eher nachteilig, wobei ich es eher als Challenge sehen, mich weiterhin fit und gesund zu halten.

Ein neuer Sponsor für die alte Legende

Letztes Jahr hast du mit K2 einen neuen Sponsor an Land gezogen. In diesem Jahr wurde dein Vertrag sogar nachgebessert. Wie kam es dazu und wirst du eine zweite Pro-Karriere starten?


Mit der Sponsorensuche ist es bei mir wie bei der Partnersuche. Wenn du was unbedingt willst, kommt nichts Gescheites dabei raus. Ich war und bin weder ein Schürzenjäger noch ein Geschäftsmann, was ich gar nicht negativ sehe, nur ging halt bei mir mit Sponsoren kaum was weiter. Mit den Leuten bei K2 verbinden mich teils lange Freundschaften und irgendwann hat sich die Zusammenarbeit einfach ergeben. Die Jungs bei K2 sehen Snowboarden ähnlich wie ich, haben den richtigen Spirit und sind loyal. Ich bin super stoked wie das läuft und der Rest wird sich weisen.