B-Ebene: Tobi Hartmuth

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Inhaltsübersicht:

Attribute die Snowboarden früher begleitet haben waren Rebellion, Individualität, Freiheit und ein Gemeinschaftsgefühl fernab vom Leistungsgedanken. Wie abgegriffen klingt das für dich heute?
Wäre nie ein Leistungsgedanke dabei gewesen, hätte auch Cardiel keine 7er gemacht. Das Verbessern und Lernen neuer Tricks macht doch auch die Anziehungskraft aus, egal ob es die erste schwarze Piste oder der erste Double ist. Das Level ist halt gestiegen, aber was ist anders daran, als Erster 4 Trippels in der Line zu machen als wie als Erster einen 7er zu stehen? Das Gemeinschaftsgefühl war früher sicher viel stärker. Ich denke, Snowboarden dient heute weniger der Definition des eigenen Images. Man identifiziert sich eher mit anderen Subkulturen und dadurch gibt es auch nicht mehr so „Die Szene“. Das liegt vielleicht auch daran, dass es weniger Snowboard Marken gibt, die ein starkes und begehrenswertes Image transportieren.
Ich finde, dass Rebellion und Freiheit immer noch genau so groß sind wie früher. Du kannst nur Pipe fahren, nur Carven, nur Powdern, nur Rail fahren, nur Gangster Shuffles machen oder nur Knuckles springen und erfolgreich sein. In wie weit man sich jetzt irgendwelchen Normen beugt und einschränken lässt, kann ja jeder selbst entscheiden. Ich kann nackt in einer Halle snowboarden wie der Dani Rajcsanyi oder wie ein Clown in 4 Neonfarben mit dem Italienischen Team auf dem Gletscher trainieren. Oder ich ziehe eben genau da die Grenze wie z.B. Simon Gruber und verlasse das Team. Das Problem sind eher die Medien, die immer nur die gleichen Typen präsentieren wodurch die Firmen wieder nur die gleichen Typen supporten. Das finde ich eher abgegriffen.

Crystal Ground Nose Press. ©Theo Acworth

Du bist vor kurzem Vater geworden. Erst mal herzlichen Glückwunsch. Hat sich deine Riskobereitschaft beim Snowboarden vermindert?
Danke. Eigentlich hat sich nichts geändert, nur dass ich jetzt immer erst am Nachmittag Snowboarden gehen kann. Aber je knapper, desto begehrter! Also habe ich noch mehr Bock als vorher. Beim Risiko war ich schon immer eher kalkuliert. Ich überlege mir oft vorher, was das Worst-Case Szenario ist. Vor allem bei Street Rails oder großen Kickern finde ich das lustig. Wenn sich die Konsequenzen im Rahmen halten, passt das für mich. Snowboarden ist mein Haupthobby, also bin ich bereit, Verletzungen bis zu einem gewissen Grad zu riskieren. Beim Skaten hingegen habe ich nach dem 5ten Bänderriss genug gehabt.

Du wohnst jetzt seit mehr als einem Jahr im Allgäu. Eine Entscheidung für die Rails?
Ja, die guten Parks haben mir bei der Entscheidung auf jeden Fall geholfen. Nach meinem Studium in Innsbruck habe ich eine Saison bei München gewohnt und fast jedes Wochenende im Allgäu verbracht. Damals gab es mit Grasgehren, Crystal Ground und Nesselwang auf jeden Fall ein Bermuda Dreieck, aus dem ich schwer entkommen konnte. Vom Shape der Rails sind die Parks auf jeden Fall erste Klasse. Heute stehen die Parks in Nesselwang und den Kanzelwand auch perfekt da und können gut mit den bekannten Parks mithalten. Nesselwang hat sogar richtig gute Kicker.

Macht auch auf Jumps eine gute Figur ©Stefan Aigner

Wenn du einen Contest durchführen könntest, bei dem du alle Regeln selbst festlegen darfst, wie würde das Set Up aussehen, was wären die Regeln.
Ich würde einfach wieder die Volcom Peanut Butter Rail Jam organisieren. Ein Event, bei dem jeder mitmachen kann und eigentlich keiner mit leeren Händen heim geht. Da gab es 3 verschiedene Rails und eine Jam Session, wo jeder einfach drauf los fahren konnte. Wenn man sich die alten Videos der Peanut Butter Railjams ansieht, sieht man alle Snowboarder, die in den letzten Jahren bekannt waren. Ein richtiges Talent Scouting also. Dann gab es noch die ROME Premature Jibbulation, ein ähnliches Format und genau so viel Spaß. Auf jeden Fall keine Runs, kein Eis, viele Rails und viele Preise.

Was sollte sich im Snowboarden ändern, damit es wieder eine größere Anziehungskraft ausstrahlt?
Ich denke, dass es vor allem die Firmen sind, die sich wieder etwas spezialisieren sollten. Snowboarden ist noch immer cool und hat eine enorme Anziehungskraft. Aber wenn keine Firma ein Image bietet, mit dem ich mich identifizieren kann, warum sollte ich mir dann dieses Produkt kaufen statt beim Decathlon ein Billig Scheiß zu bestellen? Heute bedient jeder alle Segmente. Außerdem hilft es nicht, dauernd die Vertretbarkeit des Sports anzuzweifeln. Die Filme von Nicolas Müller oder Elias Elhardt hinterlassen halt einen fahlen Nachgeschmack, der im Vergleich zu den dauernden Surftrips keinerlei Berechtigung hat.

Fährt Tobi Hartmuth in 10 Jahren immer noch ohne Helm?
Ich habe schon einen Helm. Wenn es eisig ist oder ich Tree Runs im Powder mache, habe ich den auch manchmal auf. Aber irgendwie fühlt es sich einfach nicht so natürlich an. Außerdem kommt in meinem Worst-Case Szenario eigentlich nie ein aufgeschlagener Kopf vor. Dafür fahre ich aber immer mit Rückenpanzer. Vor allem beim Powdern. Da kann ein Frontflip auf einen Stein richtig beschissen ausgehen.

Auf der letzten Seite gibt es noch mehr bewegte Bilder von Tobi. Lohnt sich.