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Die Geschichte von Anfängen sind spannend und wir wollten genau diese „First Times“ von Anna Gasser, Victor de le Rue, Jeremy Jones und Gian Simmen hören.

Jeder Erfolg muss irgendwo begründet liegen. Niemand kann von jetzt auf gleich auf dem Höhepunkt seiner Karriere ankommen, bis nach oben sind es einige Schritte. Wir bekommen die Pros oftmals erst dann zu sehen, wenn sie schon ein ganzes Stück auf diesem Weg gegangen sind und können zurückverfolgen, wie sie dahin gekommen sind. Was hat sie geprägt und welche Entwicklungen haben sie durchgemacht? Besonders interessant sind dabei die ersten Male. Denn in diesen Momenten, in denen du etwas zum allersten Mal erlebst, wirst du meist sehr unvorbereitet in eine Situation geworfen. Die Chance, dass deine Reaktion ehrlich und nicht durch Hintergedanken motiviert ausfällt, ist groß. Wir haben uns vier Pros ausgesucht, um mit ihnen über vier ganz unterschiedliche „First Times“ zu sprechen. Anna Gasser und Gian Simmen, zwei unterschiedliche Generationen, doch verbunden durch die Tatsache, dass es bei beiden einen Moment gab, der ihre Karrieren ganz entscheidend beeinflusste und prägte. Von Victor de le Rue wollten wir wissen, wie er sein erstes Mal Alaska erlebt hat, denn auch seine Karriere hat seitdem eine deutliche Kurve nach oben genommen und von Jeremy Jones, wie es sich anfühlt, wenn man zu den Legenden des Snowboardens gezählt wird.

Anna Gasser – First Time Double Cork

Als Anna Gasser vor wenigen Jahren ihren Double Cork präsentierte, stand die
Snowboard-Szene Kopf. Nicht nur die, auch die öffentlichen Zeitungen, die sich sonst
recht wenig für uns interessieren, teilten die Begeisterung und für eine Zeit lang war
Anna auf allen Plattformen vertreten. Die erste Frau, die einen Double Cork gelandet
hatte! Mit diesem Trick hat sie sich eine Seite in den Geschichtsbüchern gesichert
und natürlich sind Sponsoren auf die junge Österreicherin aufmerksam geworden,
die sie vorher nicht auf dem Radar hatten. Was macht diese Aufmerksamkeit mit einem
Menschen? Wie viel Respekt oder auch Neid hatte sie damit auf sich gezogen?

© Red Bull Content Pool
© Red Bull Content Pool

Die Tatsache, dass du die erste Frau warst, die einen Double Cork landen konnte, wird immer einer der Höhepunkte deiner Karriere sein. Wie lange hat es vom ersten Mal darüber nachdenken bis zum tatsächlichen Trick gedauert?
Nachdem ich den einfachen Underflip gelernt hatte und sicher landen konnte, kam mir eigentlich direkt der Gedanke, ihn auf Double zu probieren. Der Trick war lange in meinem Kopf, bevor ich ihn zum ersten Malprobiert habe. Irgendetwas hat jedoch immer gestört, entweder wares Frühling und der Schnee zu langsam oder der Kicker zu slushy… Es gab immer etwas, was nicht gepasst hatte und so hat es tatsächlich ein Jahr gedauert, bis ich ihn zum ersten Mal gemacht habe.

Was war der ausschlaggebendeFaktor, der dich dazu gebrachthat, den Trick zu machen?
Die Filmaufnahmen sind im Stubai entstanden, aber zum ersten Mal gelandet habe ich ihn ja bereits zuvor in Neuseeland. Ganz ohne Film- oder Fotokameras, ich wollte den Trick erst einmal nur für mich machen, denn dort hat endlich einmal alles vom Wetter bis zu den Schneebedingungen zusammengepasst. Der Trick war schon so lange in meinem Kopf, deshalb war es wichtig für mich, ihn endlich umzusetzen. Ich habe ihn dann auch schon beim zweiten Versuch landen können und war froh, ihn endlich aus dem Kopf auf den Schnee gebracht zu haben. Mir war jedochin dem Moment überhaupt nicht bewusst, dass das etwas Besonderes sein könnte, was ich da gerade gemacht hatte. Zwei, drei Monate später haben wir beschlossen, den Trick im Stubai zu filmen und einen kleinen Edit zu machen.

Hattest du auch nur die leiseste Ahnung davon, welche Wellen dieser Trick schlagen würde?
Nein, auf keinen Fall. Ich war ziemlich überwältigt von dem Feedback, das ich auf diesen Edit bekommen habe. Ich habe mir erst in jenem Sommer Instagram zugelegt und hatte gerade mal eine Handvoll Follower, um die 300, wenn ich mich richtig erinnere. Im November, nachdem das Snowboarder Mag den Clip zum ersten Mal gepostet hatte, habe ich nach dem Aufstehen meinen Account gecheckt. Zuerst dachte ich, dass ich nur 35 neue Follower hatte, aber beim zweiten Hinsehen waren es 3.500! [lacht] Das war ziemlich verrückt. Auch als ich auf Facebook gegangen bin, ist mir dieses Video von überall entgegengesprungen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben sogar die österreichischen Medien darüber berichtet! Mit einem Feedbackund ein wenig Aufmerksamkeit aus der Snowboard-Szene hatte ich natürlich gerechnet, aber dass sogar die Zeitungen das Thema aufgreifen würden, hätte ich nie erwartet.

Ohne den Double Cork wäre es für Anna weit schwieriger gewesen, zum festen Starterfeld von Contests wie den US Open zu gehören | © Red Bull Content Pool
Ohne den Double Cork wäre es für Anna weit schwieriger gewesen, zum festen Starterfeld von Contests wie den US Open zu gehören | © Red Bull Content Pool

Hat dieser Trick direkte Auswirkungen auf deine Karriere gehabt? Haben neue Sponsoren gleich am nächsten Tag an deine Türe geklopft?
Ich glaube, dass sich meine Bekanntheit in der Snowboard-Szenedurch den Trick sehr gesteigert hat. Und ich habe meine ersten Sponsoren-Verträge bekommen, auch weil der Zeitpunkt natürlich sehr günstig war, es war der Anfang der Saison und kurz vor den Olympischen Spielen. Für einige Marken hat das sehr gut gepasst und sie sind direkt auf mich zugekommen. Ich hatte auch davor kleinere Verträge, aber es hat nie ausgereicht, um davon leben zu können. Doch auf einmal bekam ich Verträge, die es mir ermöglicht haben, mich selbst zu finanzieren und nicht mehr auf die Unterstützung meiner Eltern oder des ÖSV angewiesen zu sein. Darüber hinaus wurde ich auf die Dew Tour und die X Games eingeladen, was ohne den Trick wohl nicht möglich gewesen wäre.

Hattest du das Gefühl, sofort mit dem nächsten großen Trick nachlegen zu müssen, um den neuen Erwartungen an dich gerecht zu werden?
Ich fühlte mich schon in Neuseeland sehr gut, aber durch den Motivationsschubund das viele positive Feedback fühlte ich mich noch besser, beinahe unzerstörbar [lacht]! Als nächstes wollte ich mir einen Backside Double Cork 1080° vornehmen, denn ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass auch etwas schiefgehen könnte. Ich hätte gerne direkt nachgelegt, doch leider habe ich mir dabei mein Sprunggelenk gebrochen, was mir natürlich einen ziemlichen Dämpfer verpasst hat. Heute weiß ich, dass ein Trick, den man ein paar Mal gelandet hat, nicht zwangsläufig auch contestreif ist. Denn es hat doch beinahe drei Jahre gedauert, bis ich diesen Trick wirklich konstant und sicher bei Contests bringen kann.

Es hat sich einiges getan seit 2013 | © Red Bull Content Pool
Es hat sich einiges getan seit 2013 | © Red Bull Content Pool

Mit deinem Double Cork hast du das technische Niveau der Tricks deutlich angehoben. Hast du vorwiegend positives oder negatives Feedback von den anderen Fahrerinnen bekommen?
Mittlerweile können den Trick noch ein paar andere Mädels, aber so viel Aufmerksamkeit wie ich haben sie nicht bekommen. Es ist eben so, dass der, der etwas zum ersten Mal macht, die größte Aufmerksamkeit bekommt, dafür kann niemand etwas. Auch Torstei hat mit seinem ersten Triple für Furore gesorgt und heute sind sie beinahe Standard bei Contests. An negatives Feedback von anderen Fahrerinnen kann ich mich nicht erinnern. Ich wünsche mir und hoffe, dass ich andere Fahrerinnen motivieren konnte und gezeigt habe, dass diese Tricks möglich sind. Es tut sich heute auch einiges, ich finde, man merkt deutlich, dass das Level viel höher ist als noch vor wenigen Jahren. Und wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen konnte, freut mich das umso mehr.

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