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Victor de le Rue – First Time AK

Victor de le Rues Wurzeln liegen im Freestyle. Doch vor einigen Jahren hat er sich daran gemacht, seinem Bruder ins Backcountry zu folgen und sich auf die Suche nach immer größeren, steileren und schnelleren Lines zu machen. Heute sorgt er mit seinen Video-Parts regelmäßig für ungläubiges Staunen, denn er liebt es, sich in abartiger Geschwindigkeit in Hänge zu werfen und seine Lines mit stylischen Tricks zu veredeln. Doch auch Victor musste natürlich irgendwann einmal klein anfangen, wobei „klein“ an dieser Stelle nicht ganz zutrifft. Denn so richtig klein geht es in Alaska nicht.

Von seiner ersten Line in AK bis in die Crew von Travis Rice | © Red Bull Content Pool
Von seiner ersten Line in AK bis in die Crew von Travis Rice | © Red Bull Content Pool

Inzwischen kann man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in jedem neuen Part von dir einige große Lines aus Alaska zu sehen. Doch ein erstes Mal gibt es immer. Wann hast du deine Unschuld an AK verloren?
Das war vor beinahe sechs Jahren, als ich mit Standard Films für „2112“ gefilmt habe. Es war auch das erste Mal, dass ich mit einer internationalen Filmproduktion zusammengearbeitet habe. Mein Bruder Xavier hatte schon mehrmals mit ihnen gefilmt und brachte mich mit Mike Hatchett zusammen.

Wann hast du zum ersten Mal von diesem magischen Ort namens Alaska gehört und wer waren die Jungs, die dich inspiriert haben, selbst einmal dort fahren zu wollen?
Ich habe als Kind nie wirklich Snowboard-Filme geschaut. Erst nachdem ich mit 18 Jahren angefangen habe, selbst im Backcountry zu filmen, habe ich begonnen, alles an Filmen zu schauen, was ich in die Hände bekam. Meine Helden waren damals alle, die mit Standard und Absinthe gefilmt haben: Nicolas, Gigi, Wolle Nyvelt, Lucas Debari und einige mehr. Die Art, wie sie die großen Lines in Alaska auf ihre ganz unterschiedliche Art gefahren sind, hat mich sehr geprägt.

Victor ist seit seinem ersten Besuch schon viele Male zurückgekehrt | © Red Bull Content Pool
Victor ist seit seinem ersten Besuch schon viele Male zurückgekehrt | © Red Bull Content Pool

Man fährt nicht eben so nach Alaska und steigt in den erstbesten Heli ein. Was waren die größten Hindernisse, die du vor deinem ersten Trip überwinden musstest?
Die größte Herausforderung war, das nötige Geld aufzutreiben [lacht]! Das Ganze hat um die 10.000 Euro gekostet, die ich erst einmal vorstrecken musste. Ich hatte zu der Zeit noch keine großen Sponsoren, es war eine ziemlich große Investition. Mein Bruder, der schon viel mehr Erfahrung mit Alaska gesammelt hatte, gab mir eines seiner Boards, da mein eigenes zu kurz war. Ich sprühte es schwarz an, damit man nicht genau sehen konnte, von welcher Marke es war.

Ein neues Brett in ungewohntem Terrain, das alleine ist ja schon eine Herausforderung. Aber dann gleich in Alaska?!
Ja, es war ziemlich verrückt. Ich hatte einen Warm-up-Run am ersten Tag, bevor wir am zweiten Tag direkt auf den Gipfel flogen. Xavier und ich waren zusammen unterwegs, doch nachdem wir auf dem Gipfel abgesetzt wurden, zogen Wolken auf und wir mussten erst einmal eine gute halbe Stunde ausharren. Xavier und ich hatten jeweils auf einer Seite des Gipfels vor dem Wind Schutz gesucht und konnten uns nicht unterhalten. Das war ziemlich stressig. Als der Himmel endlich aufklarte, droppte Xavier in seine Line. Ich konnte ihn jedoch erst wiedersehen, als er schon im unteren Teil des Hanges angekommen war. Er stürzte und überschlug sich mehrmals heftig, was nicht gerade dafür sorgte, dass mein flaues Gefühl im Magen besser wurde. Er blieb unversehrt und dann war ich an der Reihe. Ich droppte, machte einen Turn und verschwand in einer Wolke aus Schnee, so dass ich nichts mehr sehen konnte. Ich musste anhalten und wusste, dass ich meine Line vermasselt hatte. Im unteren Bereich des Runs wartete noch eine Art Roller. Ich wusste, dass die Landung dahinter sicher war, aber kurz vorher bekam ich Angst und bremste noch einmal ab. Ich hatte also mein erste Line in Alaska gleich zweimal verkackt. Bei Xavier angekommen, besprachen wir, was passiert war und entschieden uns, es für diesenTag gut sein zu lassen und am nächsten zurückzukehren. Meine erste Line in Alaska war also nicht gerade von Erfolg gekrönt.

Das hat sich geändert und du hast inzwischen viel Erfahrung sammeln können. Was kannst du jemandem raten, der sich seinen eigenen Traum vom ersten Mal Alaska erfüllen möchte?
Wenn du zum ersten Mal hier fährst, musst du dich auf die absolut kleinsten Lines, die du finden kannst, beschränken. Denn die kleinste Line in Alaska ist immer noch doppelt so schwierig als alles, was du davor gefahren bist. Es gibt so vieles, was schiefgehen kann: Am Gipfel angekommen hast du deine Line vergessen, oder du denkst, du kannst einen kleinen Sprung machen und endest damit, dreimal so weit zu fliegen wie geplant. Ich denke, das ist der wichtigste Tipp: Ziele auf die kleinen Lines.

Trotz deiner unglücklichen ersten Line kommst du Jahr für Jahrzurück. Was ist das Besondere für dich an diesem Ort?
Ich bin hier die wahrscheinlich besten Lines meines bisherigen Lebens gefahren und nirgendwo sonst habe ich ein besseres Gefühl dabei gehabt, einen Berg hinunterzufahren. Es gibt so viele Arten, wie man hier snowboarden kann. Da gibt es zum einen natürlich die großen, schnellen und technisch anspruchsvollen Freeride-Lines, aber man findet genau so gut auch kleinere, verspielte Lines, in die sich perfekt Tricks einbauen lassen. Auch die Landschaft hat mich vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen, die dick in Schnee gepackten wunderschönen Berge, die du so nur hier zu sehen bekommst. Darüber hinaus ist es auch einer der anstrengendsten Trips, die man machen kann, denn die Wartezeiten können sehr lange sein. Doch wenn dann auf einmal das Wetter passt, musst du sofort bereit sein. Keine Zeit, sich warmzufahren, du musst sofort auf 100 Prozent gehen. Das hat einen ganz eigenen Reiz und lässt die Zeit dort noch intensiver werden. Dieses Zusammenspiel aus Landschaft, Adrenalin und den beinahe unendlichen Möglichkeiten an Lines ist es, warum ich noch viele, viele Jahre hierher zurückkommen werde.

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