Der Banked Slalom in Riksgränsen ist ein Event mit einem besonderen Vibe. Wir wollten herausfinden, warum und haben uns auf den Weg nach Schweden gemacht.

Wir fliegen über eine weiße Landschaft. Aus der Vogelperspektive lassen sich nur vereinzelte Anzeichen von Zivilisation entdecken, doch die Einöde überwiegt. Ich bin auf dem Weg nach Kiruna im Norden Schwedens. Von dort wird es weiter nach Riksgränsen gehen, in jenes legendäre Skigebiet, das durch seine Windlips und natürlichen Hips im Snowboarden zu Ruhm gekommen ist. Und natürlich, weil Ingemar Backman 1996 hier den höchsten Backside Air aus dem Ärmel geschüttelt hat, den die Welt bis dato gesehen hatte. Das Ziel des Trips ist der Banked Slalom, der hier seit ein paar Jahren stattfindet.

Kein seltener, aber dennoch ein ungewohnter Anblick | © Cyril Müller
Kein seltener, aber dennoch ein ungewohnter Anblick | © Cyril Müller

Ermöglicht hat diese Reise adidas, einer der Haupt-Sponsoren des Banked Slaloms. In Kiruna angekommen treffe ich Philipp, der sich für das Brand aus Herzogenaurach ebenfalls auf die Reise gemacht hat und den Schweizer Fotografen Cyril Müller, dessen Fotos ihr bei uns schon oft gesehen habt. Es ist Nacht, als wir in den Mietwagen steigen und uns auf den Weg machen. Zumindest sagen Uhr und müde Augen, dass es Nacht ist; das Licht macht dagegen keine Anstalten zu verschwinden. In den Frühlings- und Sommernächten wird es hier oben im Norden nie wirklich dunkel. Ist man das nicht gewohnt, sorgt dieser Umstand für einen verwirrten Bio-Rhythmus und auch sonst für Überraschungen. Wir fahren auf den Parkplatz vor dem „Hotell Riksgransen“ und vor der hoteleigenen Bar steht eine Gruppe ziemlich schwankender Jungs. „Ganz schon früh für so einen Rausch“, denke ich mir. „Ist doch noch hell!“ Es dauert einen Moment, bis mein Hirn nachkommt und mich daran erinnert, dass die Nächte hier eher an der Uhr als am Licht zu erkennen sind.

Die charakteristischen rot-weißen-Häuser stechen besonders zu dieser Jahreszeit aus der Einöde heraus | © Cyril Müller
Die charakteristischen rot-weißen-Häuser stechen besonders zu dieser Jahreszeit aus der Einöde heraus | © Cyril Müller

Nach ein paar Stunden Schlaf und einem kurzen Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Lift. Wir wollen uns den Banked-Kurs, den Anders Neuman und seine Crew aus dem Schnee geholt haben, schließlich aus der Nähe anschauen. Die Aussicht, die man während der Liftfahrt zu sehen bekommt, unterscheidet sich gewaltig von dem, was wir hier aus den Alpen gewohnt sind. Spielt das Wetter mit, kannst du endlos in die Weite blicken, denn besonders hoch sind die Gipfel rundherum nicht. Dafür ist die Landschaft umso beeindruckender. Schnee, Felsen, ein paar knorrige Büsche und zugefrorene Seen prägen das Bild. Auch das Wetter ist eigenwillig. Man ist gewohnt, dass in den Bergen das Wetter schnell umschlagen kann, aber hier oben passiert das gefühlt im Viertelstunden-Takt. Sonnenschein, Regen, Schneesturm – wir bekommen die ganze Wetter-Bandbreite präsentiert.

Austin Smith und Pat Moore fahren sich gemeinsam auf dem | © Cyril Müller
Austin Smith und Pat Moore fahren sich gemeinsam auf dem | © Cyril Müller

Oben angekommen, nehmen wir die Banks in Augenschein. Und sie haben es in sich. Ein Banked Slalom mag leicht ausschauen, aber einmal aus dem Rhythmus gekommen und schon fliegst du aus den Steilkurven ins Abseits hinaus. Am Start, im Lift und im Zielbereich lauter bekannte Gesichter. Da jagen gerade Arthur Longo, Elias Elhardt und Nico Müller durch den Kurs, oben am Start warten Austin Smith, Keegan Valaika und Jake Blauvelt, während im Zielbereich eine spontane Handplant-Session mit Terje Haakonsen, Pat Moore und Len Jørgensen stattfindet. Nach einem Tag Qualifikation, ein paar guten Gesprächen (und teuren Bier) sowie einer weiteren kurzen Nacht, versammeln wir uns fürs Finale auf dem Berg. Inzwischen sind zu den ganzen Teilnehmern auch viele Zuschauer gekommen, die Felsen rechts und links des Kurses werden zu Tribünen, der ganze Berg ist voll von Snowboardern. Überall lachende und grinsende Gesichter. Der Vibe hier oben ist so einladend, wie man es nur ganz selten zu spüren bekommt.

Terje und Banked Slaloms - eine Geschichte, die so lange wie seine ganze Karriere ist | © Cyril Müller
Terje und Banked Slaloms – eine Geschichte, die so lange wie seine ganze Karriere ist | © Cyril Müller

Es gibt keine Berührungsängste zwischen Pros und Besuchern, keiner ist zu cool, um mit dem anderen zu sprechen. Jeder ist willkommen, jeder ist gestoked. Auf Arthur Longo wirkt die Atmosphäre beflügelnd und am Ende kommt niemand, kein Nicolas und kein Terje, schneller als er ins Ziel. Das Abschlussdinner des Bankeds fällt wie es sich gehört ausgelassen aus und endet mit der Siegerehrung. Aber natürlich bekommen auch die Shaper und alle anderen, die ihr Herzblut in dieses Event gesteckt haben, tobenden Applaus und sind sichtlich stolz. Die Party in der Hotelbar geht lange, doch am längsten geht es auf dem Parkplatz, wo einige Wohnwägen geparkt sind. Bei den Ästhetikern, die über die Lofoten hierher gefahren sind, macht Drew Stevenson seinem Ruf alle Ehre und feiert am härtesten und längsten.

Weder Terje, Nicolas oder sonst jemand flowte 2016 smoother als Arthur Longo durch die schwedischen Banks | © Cyril Müller
Weder Terje, Nicolas oder sonst jemand flowte 2016 smoother als Arthur Longo durch die schwedischen Banks | © Cyril Müller

Nachdem der Banked vorbei ist, ging es nahtlos mit der Reunion des King of the Hill weiter, doch davon erzählen wir euch hier. Zunächst haben wir uns jedoch mit Anders Neuman, dem Initiator des Bankd Slaloms in Riksgränsen, über das Event unterhalten.

Interview mit Anders Neuman

Er ist das Hirn des Riks Banked Slaloms. Ansprechpartner für alle und jeden, immer für ein Bier und einen kurzen Schnack zu haben. Ohne Anders würde es dieses Event nicht geben. Vor gut zwanzig Jahren hat er mit der Fotokamera begonnen, Snowboarden zu dokumentieren, hat das Transition Magazine freigekauft und ist nun auch noch Mitbegründer von Spektrum Eyewear. Er hat viel für die schwedische Snowboard-Szene getan und tut es immer noch. Und bleibt trotz vollstem Terminkalender unglaublich entspannt. Für ein Interview mit ihm muss man sich Zeit nehmen, denn er hat eine Menge zu erzählen. Aber es lohnt sich. Ein Gespräch über den Banked Slalom in Riks, seine eigene Laufbahn und wie man es schafft, auch als alter Sack (O-Ton) cool zu bleiben.

Anders Neuman, der schwedische Hansdampf in allen Gassen und Veranstalter des Riksgränsen Banked Slaloms | © Anders Neuman
Anders Neuman, der schwedische Hansdampf in allen Gassen und Veranstalter des Riksgränsen Banked Slaloms | © Anders Neuman

Snowboarden ist schon lange Teil deines Lebens. Wie bist du damals in diese ganze Sache hineingeraten?
Ich bin mit Snowboarden aufgewachsen und wir hatten hier in Schweden eine sehr lebendige Szene. Wir haben früh damit begonnen, eigene kleine Events zu organisieren und so bin ich mit diesem Bereich schon sehr früh in Kontakt gekommen. Viele meiner Freunde sind bereits in jungen Jahren Pros geworden und so war es auch für mich sehr einfach, Teil dieser Welt zu werden. Zwei oder drei meiner Freunde waren Teil der ersten „Welle“ im Snowboarden, die den Weg für uns, die nächste Generation, geebnet haben. Wir konnten im Prinzip unsere Boards ins Auto schmeißen, in Richtung Alpen fahren und uns für einige Jahre ganz diesem Leben hingeben. Es war eine wirklich aufregende und spannende Zeit und ich bin froh, dass ich das erleben konnte.

Auch in diesem Jahr lädt Riks wieder zum Banked
Auch in diesem Jahr lädt Riks wieder zum Banked Slalom

Wie bist du dann dazu gekommen, den Banked Slalom ins Lebenzu rufen und zu organisieren?
Ich war in die Organisation des Contests „The Battle“ in Falun involviert. Eigentlich hieß der Contest „The Battle of the Twin Towers“. Das Ganze fand in einer Skisprung-Arena mit zwei Sprungtürmen statt, einer 90 Meter, der andere 70 Meter hoch. Wir fanden, es sah nach „Herr der Ringe“ aus und liehen uns den Namen. Der Contest fand zum ersten Mal 1999 statt, doch nach den Ereignissen am 11. September 2001 haben wir den Namen aus Respekt gegenüber den Opfern geändert. Wir hatten viele gute Leute da, Fredi Kalbermatten, die Ästhetiker, viele US-Jungs… Der Contest fand noch einige Jahre statt und ich habe viel lernen können, zum einen was die Organisation eines Events betrifft, aber zum anderen auch, was damit verbunden ist. Es kann Brücken zwischen Snowboardern aus verschiedenen Szenen schlagen, neue Partnerschaften entstehen lassen und ist eine großartige Möglichkeit, Snowboarden zu repräsentieren, wenn es richtig gemacht wird. Diese ganzen Erfahrungen haben dazu geführt, dass wir uns 2012 zum ersten Mal mit der Idee auseinandergesetzt haben, einen Banked Slalom zu organisieren. Wir hatten das Gefühl, dass den aktuellen Contests etwas fehlte. Wir suchten nach einem Ansatz, der mehr Leute ansprechen und einladen sollte, selbst Teil zuwerden. Mitmachen statt Zuschauen.

So sieht der Kurs ziemlich easy aus. Sobald man sich mittendrin befindet, ändert sich jedoch schnell | © Cyril Müller
So sieht der Kurs ziemlich easy aus. Sobald man sich mittendrin befindet, ändert sich jedoch schnell | © Cyril Müller

Das Konzept scheint aufgegangen zu sein, denn das Event ist schnell bekannter und größer geworden.
Ja, aber wir hatten auch ein bisschen Glück. 2013, als wir den Banked Slalom zum ersten Mal veranstalteten, waren Nicolas Müller und Jake Blauvelt gerade hier, um für Jakes „Naturally“ zu filmen. Ich kannte sie bereits und wir machten ein paar Fotos, wie sie mit anderen Pros, die ebenfalls gekommen waren, durch den Kurs cruisten. Es war sehr leicht für uns, gute Shots von bekannten Fahrern und deren Segen für das Event zu bekommen. Das war eine Bestätigung für alle, dass wir mit dem Banked auf dem richtigen Weg waren, etwas Gutes in die Wege geleitet hatten. Von da an wuchs der Event stetig und auch wenn wir immer schon einige internationale Fahrer hier hatten, war 2016 mit dem King ofthe hill, der im Anschluss stattfand, etwas ganz Besonderes. Es war so cool zu sehen, dass etwa Pat Moore sich wie alle anderen registrierte und sein Startgeld bezahlte, um sich danach mit anderen zu unterhalten und nach dem Kurs zu fragen. Es war so gut zu sehen, dass das, was wir ursprünglich im Sinn hatten, nämlich Brücken zwischen Snowboardern aus verschiedenen Ecken zu schlagen, so gut aufging. Einige der Shaper waren zum ersten Mal dabei und konnten es nicht fassen, wie nett auch die „großen“ Pros waren und wie viel Respekt sie für diesen kleinen Contest hatten. Sie hatten Gänsehaut, als die Pros den von ihnen mühsam ausgegrabenen Kurs direkt vor ihren Augen fuhren, sie ihnen aber nicht nur zuschauen, sondern direkt danach in den selben Kurs droppen konnten.

Die Steilkurven in Riksgränsen haben es in sich und die wenigen hundert Meter bringen die Oberschenkel mächtig zum Brennen | © Cyril Müller
Die Steilkurven in Riksgränsen haben es in sich und die wenigen hundert Meter bringen die Oberschenkel mächtig zum Brennen | © Cyril Müller

Bankeds sind die älteste Form der Snowboard-Contests. Warum sind sie überhaupt so lange fast vollständig von der Bildfläche verschwunden?
Wie alles andere bewegt sich auch Snowboarden in Wellenbewegungen. Trends kommen und gehen, Contests tauchen auf und verschwinden wieder, das ist der Lauf der Dinge. Im Snowboarden ging es lange Zeit nur um die Progression der Tricks. Diese ist jedoch in der Zwischenzeit ein wenig abgeflacht, befindet sich aber auf einem unglaublich hohen Level. Das können nur wenige erreichen. In diesem Fall ist es am einfachsten, sich wieder auf die Wurzeln zu besinnen und die Basics möglichst perfekt zu beherrschen. Genau das ist Carving. Du siehst, ob jemand gut snowboarden kann, wenn du ihn beim Carven beobachtest. Balance, Arme, Stance, die Art, wie sie Kurven angehen… es sagt viel über einen Fahrer aus. Und das spricht die Leute an. Schau dir an, was Korua Shapes machen, die Yawgoons etc. und wie die Leute darauf reagieren. Es gehört viel Können und Brettgefühl dazu, solche Carve-Tricks machen zu können. Aber bei allem Können ist es verständlich und nachvollziehbar.

Bei Bankeds kann jeder mitfahren. Genau das macht den Reiz dieser Contests aus | © Cyril Müller
Bei Bankeds kann jeder mitfahren. Genau das macht den Reiz dieser Contests aus | © Cyril Müller

Brettgefühl und –kontrolle sind das A und O bei Slaloms. Warum feiern sie in den letzten Jahren ein so erfolgreiches Comeback überall auf der Welt?
Es braucht nicht viel, um einen Banked Slalom zu veranstalten. Wie du den Kurs gestaltest, hängt nur von dir, deiner Kreativität und der Menge an Leuten ab, die dir helfen. Du kannst deinen ganz eigenen Vibe einbringen, Jumps einbauen oder was auch immer dir einfällt. Die einzige feststehende Regel, die es bei jedem Banked gibt, ist die Zeit. Das ist ja das Gute daran, denn die Uhr tickt für alle gleich, Pro oder Amateur, jung oder alt. Wir haben heute bei Contests ein Level, das jenseits jeglicher Vorstellungskraft ist. Und es ist klar, dass sich diese Fahrer voll darauf konzentrieren müssen, da bleibt keine Zeit für etwas anderes. Wenn wir nur wenige Jahre zurückblicken, war es normal, eine volle Contest-Saison zu fahren und nebenher auch noch einen Video-Part zu filmen. Wer schafft das heute schon noch? Banked Slaloms schaffen es, dass sich auch „normale“ Snowboarder wieder mit Contests identifizieren können und Spaß daran finden. Außerdem gibt es immer mehr ältere Snowboarder. Die sind nicht mehr Teil der Progression, aber lieben Snowboarden nach wie vor. Und sie lieben es Turns zu fahren. Es ist wichtig, dass man nicht vergisst, dass eben auch diese Jungs Teil des Snowboardens sind und genauso cool wie die jungen Fahrer.

Die Landschaft hier oben im Norden zieht dich sofort in ihren Bann | © Cyril Müller
Die Landschaft hier oben im Norden zieht dich sofort in ihren Bann | © Cyril Müller

Riksgränsen liegt ziemlich weitab vom Schuss. Warum hast du gerade diesen Ort für dein Event ausgesucht?
Es ist ein magischer, wunderbarer, furchtbarer Ort [lacht]. Als ich aufwuchs, war Rikgränsen dieser legendäre Ort und als ich zum ersten Mal hierher kam, herrschte ein ganz besonderer Vibe. Ich habe eine halbe Saison zusammen mit Björn Lindgren in dessen Trailer verbracht, wir haben auf seinem alten Sled die Gegend erkundet, sind Snowboarden gegangen und haben Fotos gemacht. Wenn das Wetter schlecht wird, sitzt du hier fest, es gibt keinen Ausweg. Wir saßen auch schon zwei Wochen im Nebel, bevor die Sonne herauskam und wir endlich den Kicker fahren konnten, den wir in stundenlanger Arbeit gebaut hatten. Aber dieses Resort hat etwas Besonderes, das sich bei mir festgesetzt hat. Dieser Ort trägt den Spirit des Snowboardens auf eine besondere Art und Weise in sich. Craig Kelly hat den Ort damals ins Bewusstsein aller Snowboarder gebracht und Ingemar Backman mit seinem Backside Air auf die Titelseiten. Es ist wichtig, dass wir solche Orte im Bewusstsein halten und wenn wir mit dem Banked Slalom einen Teil dazu beitragen können, haben wir alles erreicht.