Jason Robinson hat die Arbeit an seinem Mobile Home unterbrochen und sich für ein offenes und mitunter schmerzlich ehrliches Interview mit uns Zeit genommen.

Fotos: Opener: Sean Kerrick Sullivan; Action: Andrew Miller

Jason Robinson ist einer dieser Snowboarder, die auf einmal auf unserem Bildschirm auftauchen und man sich fragt, woher dieser Junge plötzlich kommt. Nun, er steht nicht erst seit gestern auf dem Brett, doch seinen wirklichen Durchbruch hatte er erst mit dem Opener in Absinthes „Dopamine“. Er gehört zur raren Sorte von Fahrern, die sich sowohl auf der Straße wie auch in einer Big Mountain-Line wohl fühlen. Wer seine Absinthe-Parts kennt, kann bestätigen, dass einem teilweise der Mund offen stehen bleibt, wenn man sieht, mit wie viel Speed der Amerikaner Spines hinunterschießt und dem Sluff davonfährt. Jason steht schon seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Brett und hat einiges erlebt und durchmachen müssen, doch obwohl es nicht immer danach aussah, dass er es als Pro schaffen würde, hat er sich von seiner Liebe zum Snowboarden nie abgewandt.

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„Ich fühle mich wohler, wenn ich mehr Speed habe und noch heute fallen mir langsame Tricks sehr schwer“

Wie bist du mit Snowboarden in Kontakt gekommen? Ich bin in Whitefish, Montana aufgewachsen. Meine Eltern haben beide in unserem kleinen Homeresort gearbeitet und meine Brüder und mich regelmäßig mit auf den Berg genommen. Wir fuhren Ski, aber als ich zu skaten begonnen hatte und auf dem Berg immer mehr Snowboarder auftauchten, war mir klar, dass ich das auch wollte. Als ich neun Jahre alt war, habe ich meine Eltern überredet, mir ein Snowboard zu besorgen. Ein Burton Air mit spitzer Nose und flachem Tail, ähnlich dem Craig Kelly-Promodel, nur eben als Kids-Board.

Wie verlief deine Entwicklung, bist du von der Piste in den Park gegangen, um schließlich im Backcountry zu landen oder hast du einen anderen Weg gewählt? Einen wirklichen Park gab es bei uns eigentlich nicht, aber das Gelände unseres Home-Resorts ist sehr verspielt, viele natürliche Features, Sidehits, Jumps. Als Kind war das ideal, denn wir bekamen sehr schnell ein gutes Gefühl für das Terrain, schnupperten ein wenig Airtime und konnten uns in den Treeruns austoben. Zudem haben wir hier recht beständig gute Bedingungen, es gibt viel Neuschnee und so bin ich schon sehr früh mit dieser Art zu fahren vertraut geworden. Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich angefangen, an Boardercross-Rennen teilzunehmen. Das war eine gute Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen und mein Taschengeld aufzustocken.

Trotzdem bist du im Freestyle gelandet. Was hast du vom Boardercross mitnehmen können? Die Vertrautheit mit hohen Geschwindigkeiten ist sicher einer der größten Vorzüge, die ich aus dieser Zeit mitgenommen habe. Ich fühle mich tatsächlich wohler, wenn ich mehr Speed habe und noch heute fallen mir Tricks, die ich langsam machen muss, sehr schwer. Insgesamt hat mir die Zeit sehr viel Brettgefühl und –kontrolle gegeben, und das ist eine Fähigkeit, die dir überall hilft; von Highspeed-Powderturns bis zum harten Inrun eines Park-Kickers.

Wann hast du deinen ersten Sponsor bekommen? Das war ein Handelsvertreter von Ignition Snowboards in Whitefish. Ich war gerade mal zwölf Jahre alt und er versorgte mich mit Boards und ein wenig Ausrüstung. Die Firma hatte ein Haus in Mammoth, Kalifornien und er bot mir an, dass ich dort für eine Weile wohnen könnte. In unserer Familie gab es zu dieser Zeit große Schwierigkeiten und meine Mum erlaubte mir, die zweite Hälfte des Schuljahres freizunehmen und nach Mammoth zu ziehen. Das war meine erste Begegnung mit der Snowboard-Szene. Ich sah dort ja nicht nur viele Pros, sondern konnte tatsächlich auch mit ihnen fahren gehen. Das war eine sehr prägende Erfahrung.

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Hast du nach deiner Boardercross-Karriere auch an Slopestyle-Contests teilgenommen? Ich bin einige lokale Slopestyle- und Halfpipe-Contests gefahren. Einige davon fanden in Kanada statt, wo ich auch zum ersten Mal sah, was ein wirklicher Snowpark ist. Wir hatten gegen die Kids von dort keine Chance, die fuhren auf einem anderen Level. Ich erinnere mich an Mikey Rencz, der damals zwölf oder dreizehn Jahre alt war und schon kopfhohe McTwists in der Halfpipe machte, während ich gerade lernte, über die Lip zu kommen. Später habe ich dann an einigen Vans Triple Crown-Contests teilgenommen und habe auch gar nicht schlecht abgeschnitten, aber gewonnen habe ich nie.

„Als ich um die zwanzig Jahre alt war, hatte ich es eigentlich aufgegeben“

War es schwer, außerhalb der lokalen Szene auf dich aufmerksam zu machen? Montana ist nicht der einfachste Ort, um als Snowboarder bekannt zu werden. Ich kenne viele gute Snowboarder, die es nie auch nur im Geringsten geschafft haben, Sponsoren oder sonstige Unterstützung zu bekommen. Das liegt natürlich auch daran, dass sie Montana nie verlassen haben. Wir haben hier eine coole Szene, viele passionierte Menschen, aber es gibt einfach zu wenig von dem ganzen Drumherum, keine Firmen, wenig Fotografen und Filmer…  Ich hatte Glück, dass ich recht früh mit Mervin und Dakine zusammenarbeiten konnte, aber ich wurde nie für Marketing-Aktivitäten verwendet und so hatte ich zwar materielle Unterstützung, aber trotzdem kannte mich außerhalb Montanas so gut wie niemand.

Bist du nie ins Zweifeln gekommen, ob das alles überhaupt Sinn ergibt? Ja, auf jeden Fall. Als ich um die zwanzig Jahre alt war, hatte ich es eigentlich aufgegeben. Ich fuhr weiterhin Snowboard, aber ausschließlich für mich und zum Spaß. Mein kleiner Bruder Aaron war es, der mich wieder neu motiviert hat. Er reiste viel durch die Gegend, schlief auf Sofas, nur um so viel snowboarden zu können wie möglich. Er bekam Unterstützung von Sponsoren und konnte das tun, was ihm am meisten Spaß machte. Da wurde mir klar, dass ich zu früh aufgegeben hatte, denn ich wollte ja genau das gleiche tun wie er. Also fing ich an, die ganze Sache wieder professioneller zu betreiben, ging filmen und hielt engeren Kontakt zu den Firmen.

Kannst du in Worte fassen, was es ist, dass dich so ans Snowboarden fesselt? Ich glaube, ich möchte einfach nicht erwachsen werden. [lacht] Wirklich! Es macht so viel Spaß und ist im Grund doch eine sehr komische Sache: Auf einem Stück Holz einen verschneiten Hang herunterfahren… Man befindet sich so sehr im Hier und Jetzt, egal ob man die Pisten entlangcruist, durch den Tiefschnee hikt oder durch die Bäume schießt. Besonders, wenn man filmt und Dinge mit hohem Risiko tut, ist man so präsent wie nur selten. In diesem Moment zählt nur das Snowboarden, alles andere ist nebensächlich. Es ist das beste Ventil und Therapie. Das habe ich besonders dann gemerkt, als mein Bruder Aaron starb. Ohne Snowboarden hätte ich diese Zeit nicht überstanden. Auch die vielen Orte, die ich bereist habe, hätte ich ohne Snowboarden wohl nicht zu sehen bekommen. Du bist in der Natur, bist umgeben von Leuten, die deine Leidenschaft teilen und eine ähnliche Mentalität besitzen, das ist schon etwas Besonderes. Wenn man das alles zusammen betrachtet, dann gibt es nichts, was ich lieber tun würde.

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„Ich fühle mich mit meinem Bruder
verbunden, bin aber nicht mehr blockiert und sehe die Zukunft klarer vor mir“

Welche Momente und Erlebnisse in den letzten Jahren stechen besonders hervor? Es ist kein positiver Moment, aber der Tod meines Bruders war eine der stärksten und prägendsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen musste. [Aaron Robinson starb an den Folgen eines Sturzes in El Colorado Ski Area, Chile in 2011; Anm. d. Red.] Er konnte seinen Film „Manifest“ nicht mehr beenden und ich entschied mich, zurückzukehren und seine Arbeit zu Ende zu bringen. Das war ein wichtiges und entscheidendes Erlebnis für mich. Es gibt natürlich auch positive Momente. Eine Sache, die dabei besonders heraussticht, ist der Moment, als ich eine Voicemail von Justin Hostynek von Absinthe Films bekam. Er wollte mich für den Film „Dopamine“ an Bord haben, was für mich persönlich eine riesengroße Ehre und Chance war.

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich den Opener bekommen würde, denn ich hatte noch nicht viel Erfahrung im „echten“ Backcountry sammeln können; ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal mit dem Heli geflogen! Ich war überzeugt davon, dass ich Big Mountain-Stuff fahren konnte, aber bis dorthin bin ich nichts gefahren, was es wert war, in dieser Kategorie genannt zu werden. Alles, was ich bisher gemacht hatte, war höchstens aus der Sicht eines Street-Fahrers Big Mountain, aber für die erfahrenen Backcountry-Fahrer war das gerade mal Minigolf [lacht]. Die ganze Anfangszeit mit Absinthe war sehr intensiv für mich, denn es war eine große finanzielle Herausforderung. Einen Part zu produzieren kostet 20.000 USD und meine Sponsoren waren natürlich glücklich, dass ich diese Chance bekommen hatte, aber da es schon so spät im Jahr war, gab es für mich kein Budget mehr. Mir blieben also nur zwei Möglichkeiten: Das Ganze bleiben lassen oder es selbst in die Hand nehmen. Ich habe Justin angerufen und ihm die Situation geschildert, denn natürlich hatte ich das Geld auch nicht selbst zur Verfügung. Ich sagte ihm, wenn es für ihn in Ordnung wäre, würde ich ihm den Betrag nach und nach zurückzahlen. Wir hatten uns noch nie persönlich getroffen, aber er sagte Ja. Ich konnte es beinahe nicht glauben. Das hat das Band zwischen uns natürlich sehr verstärkt und ich habe es auch schon beinahe geschafft, alles zurückzuzahlen.

Nachdem du dann gleich den Opener für dich beanspruchen konntest, war es im Jahr darauf sicher leichter, das Geld zu bekommen, oder? [Lacht] Oh ja, das hat definitiv geholfen und die ganze Sache beschleunigt! Für mich persönlich ist auch dieses Jahr ein sehr gutes, denn ich habe einige Dinge in Angriff genommen und an mir gearbeitet.

In welcher Form? Es war auch schon vorher so, aber besonders seit Aaron gestorben ist, war die Zeit nach dem Winter extrem hart für mich. Ich bin immer mit so viel Motivation und Enthusiasmus in die Saison gestartet, dass ich sehr tief gefallen bin, wenn alles vorbei war. Die Zeit, die ich gebraucht habe, um wieder hochzukommen, war beinahe genau so lange wie meine gesamte Saison. Ich habe deshalb angefangen, zu einem Arzt zu gehen, der sich auf Network Spinal Analysis spezialisiert hat, eine Art ganzheitlicher Chiropraktik. Es geht dabei nicht darum, dich wieder einzurenken, sondern deinen Körper und Geist zusammenzubringen und zu stärken. Das Ziel dabei ist, die Spannungen aufzuheben, die wir von physischem und psychischem Stress in uns tragen. Die wenigsten von uns kennen eine gesunde Art, diesen Stress loszuwerden und wir tragen ihn mit uns herum und das kann auf Dauer sehr schädigend sein. Mir hat es sehr geholfen, mit meinen Schwierigkeiten umzugehen und auf einer persönlichen Ebene zu wachsen und weiterzukommen. Während diesem ganzen Prozess habe ich auch begonnen, mich etwas mehr mit Yoga und Meditation zu beschäftigen.

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Außerdem ist mir klar geworden, dass mein Cannabis-Konsum zu einem großen Teil dafür verantwortlich war, dass es mich so runtergemacht hat, wenn der Winter vorbei war und ich auf einmal wieder viel mehr mit mir selbst konfrontiert war. Ich habe mit zehn Jahren zum ersten Mal Gras geraucht, ab dreizehn beinahe täglich. In Kalifornien war ich jeden Tag davon umgeben und als Aaron starb, ging mein Gras-Bedarf durch die Decke. Für mich war es, ähnlich wie Snowboarden, eine Art, diesen Verlust irgendwie zu kompensieren. Der Umkehrpunkt kam, als ich eines Morgens bei meinem Arzt auf dem Tisch lag und er meinen Kopf massierte. Er meinte: „Da ist irgendwas, was dich zurückhält. Ich kann nicht sagen, was, aber irgendetwas scheint dich zu blockieren, deinen Träumen, Ideen und Zielen nachzugehen.“ Als er das Weed in meinem Atem roch meinte er nur: „Oh, okay. Ich glaube, ich weiß warum.“ Und im gleichen Augenblick ist es auch mir bewusst geworden. Ich habe gekifft, wenn ich zu Hause war, wenn ich Snowboarden war, auch beim Filmen heftiger Big Mountain-Lines… In diesem Winter habe ich mich bewusst entschieden, dass ich das nicht mehr möchte und zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich über mehrere Monate nichts geraucht. Ich kann euch sagen, dass war der intensivste Winter meines Lebens. Ich war noch nie so präsent, versteht ihr? Wenn du stoned bist, bist du immer irgendwie in deiner eigenen Welt, nie ganz da. In diesem Jahr war ich da. Und das war ein unglaublich gutes Gefühl, auch wenn ich ab und zu beinahe überwältigt war. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob du am Anfang einer heftigen Line in Alaska stehst und clean bist oder nicht. Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich eigentlich noch ganz dicht bin, mich in diesen Run zu schmeißen, aber nur, weil ich es nicht gewohnt war, das alles so intensiv zu erleben und nicht betäubt zu sein. Es war definitiv eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe und weiß, dass ich auf einem guten Weg sowohl persönlich als auch mein Snowboarden betreffend bin. Ich fühle mich mit meinem Bruder verbunden, bin aber nicht mehr blockiert und sehe die Zukunft klarer vor mir. Und das ist ein echt gutes Gefühl.

Jason Robinson Rider Infos

Board 158
Boots 9 (US)
Stance Regular
Winkel +18 / -6
Geboren am 12.12.1985
Lebt in einer Aluminium-Box in Kalispell, Montana
Sponsoren Dakine, Lib Tech, Anon

 

Interview aus Prime Snowboarding Magazine #03